B. A. Zimmermann - Cellokonzert, Photoptosis, Tratto II
Sinfonieorchester des SWF / Radio-Symphonie-Orchester Berlin - H. Zender
(2012)
Wergo /note 1
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Exemplarische CD mit zeitlosem Referenzcharakter
von Rainer Aschemeier • 20. Juli 2012
Katalog-Nr.: WER 6776 2 / EAN: 4010228677621
Wergo, das wohl bekannteste Label für Neue Musik in Deutschland und Europa, übt sich im 25. Jahr seines Bestehens im gepflegten Rückblick auf vergangene Großtaten.
So berichteten wir erst im Frühjahr dieses Jahres über den Abschluss der Arbeiten an der großartigen CD-Edition der Contemporary Sound Series von Earle Brown.
War jene Sammlung von Tondokumenten aus den „wilden Jahren“ der Neuen Musik US-amerikanischen Ursprungs, so schaut man nun in die eigenen Archive und beginnt mit der „Wergo Studio Reihe“ eine neue historische CD-Revue.
Eine der ersten Veröffentlichungen in dieser neuen Serie beinhaltet drei Kompositionen von Bernd Alois Zimmermann – unbestreitbar einer der prominentesten und wichtigsten Komponisten der musikalischen Nachkriegsmoderne.
Anhand dreier Referenzeinspielungen zweier Radiosinfonieorchester der ARD unter der – wie immer großartigen – Leitung des Komponisten und Dirigenten Hans Zender, erklingen die Stücke „Photoptosis“ (neben der Oper „Die Soldaten“ wohl das bekannteste Werk von B. A. Zimmermann), „Tratto II“ sowie das „Concerto pour Violoncelle“.
Die drei Stücke bieten einen guten Einblick in das typische Spätwerk des Komponisten, dessen vornehmliche Eigenart es war, mit sich überlagernden Schichtungen musikalischen Materials zu arbeiten.
Die drei Stücke sind auch deswegen so gut ausgewählt, weil sie am Paradeexemplar zeigen, dass diese typische Kompositionsmethode Zimmermanns auf ganz unterschiedliche Art und Weise ausgeführt wurde: In „Tratto II“ sind elektronisch erzeugte, sich zeitlich überlagernde Sinustöne zu hören, was im Endeffekt eine Komposition ergibt, die von spröder, minimalistischer Schönheit ist – einigen Werken von John Cage nicht unähnlich.
In Photoptosis – nach wie vor ein Werk, das in Kompositionskursen von Studierenden auftragsgemäß nach Strich und Faden „seziert“ wird – arbeitet Zimmermann auch mit Zitaten aus anderen Werken – von den Beatles bis Beethoven, wandelt diese in Sachen Geschwindigkeit, Instrumentation usw. quasi nach Belieben ab und lässt sie mit eigenem Material interagieren und gewissermaßen in Konflikt geraten. Es ist ein spannendes, wenngleich auch stellenweise arg plakatives Werk, das seine Beliebtheit beim Publikum wohl auch daher beziehen mag, dass es sich damals wie heute sehr schön als „musikalischer Bürgerschreck“ einsetzen lässt.
Das Cellokonzert ist für einen, der gemeinhin als typischer Avantgarde-Komponist hingestellt wird, stellenweise überraschend konservativ gehalten und lässt erkennen, dass Zimmermanns kompositorische Wurzeln noch bis in die Zeit des musikalischen Expressionismus reichten.
Die Aufnahmen aus den Archiven des SWR und des in Würde verblichenen Senders Freies Berlin (im RBB aufgegangen) sind klanglich fraglos nicht mehr ganz der heutige Stand der Technik, können aber nach wie vor genussvoll gehört werden und sind nicht wesentlich schlechter als ein Großteil des heute produzierten Materials.
Es sind hier die absolut exemplarischen Darbietungen, die zählen. Und in dem Punkt schlägt diese CD so ziemlich alles; mal ganz abgesehen davon, dass sie eine geradezu optimale Einführung in den Spätstil des nach wie vor viel beachteten und zurecht gerühmten Komponisten aus der Eifel darstellt. Insofern: Eine klare Kaufempfehlung! Es lohnt sich.
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass einige der hier versammelten Aufnahmen vor Jahren auch beim Label cpo erhältlich waren. Das Wergo-Remaster aus dem Jahr 2012 ist klanglich jedoch überlegen.
((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Label zur Verfügung gestellt.))