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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Seelenvogel
Meininger-Trio

(2012)
NCA / membran / harmonia-mundi

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Meininger-Trio - "Seelenvogel"

Follow-Up zum letztjährigen Jahresbestenlisten-Kandidaten "Voices of the Rainforest"

von Rainer Aschemeier  •  10. Juli 2012
Katalog-Nr.: 60247 / EAN: 885150602478

Wenige CDs haben mich im letzten Jahr so begeistert, wie das Album Voices of the Rainforest vom Meininger-Trio. Folgerichtig landete die CD auch auf unserer www.the-listener.de-Jahresbestenliste 2011.

Nun, ein knappes Jahr später, legt das Meininger-Trio seine neue Einspielung vor, die den Titel „Seelenvogel“ trägt.
Das Konzept ist ähnlich wie auf der Vorgänger-CD: Es wird moderne Musik für die ungewöhnliche Besetzung Flöte, Klavier und Cello vorgestellt, wobei insbesondere solche Stücke Berücksichtigung finden, die über programmatische Aspekte erschlossen werden können. Dieser Ansatz zeichnete bereits „Voices of the Rainforest“ aus und machte jene CD zur idealen „Einstiegsdroge“ für Neugierige auf die internationale Kammermusik des 20. und vor allem 21. Jahrhunderts.

„Seelenvogel“ bezieht seinen Titel von einem Stück des südafrikanischen Komponisten Stefans Grové. Da der Komponist zugleich auch Schriftsteller ist, hat er für das Albumbooklet auch gleich die zugrundeliegende Kurzgeschichte mitgeliefert. Die über Strecken lautmalerische Musik des Stücks wird auf diese Weise noch besser erfahrbar, kann aber auch ohne literarische Leitlinie als „absolute“ Musik bestehen.
Grovés Stil ist nämlich sehr interessant und besonders spannend: Eher zurückhaltend und etwas „minimalistisch“ komponiert – ohne, dass man dabei an die völlig anders geartete „Minimal Music“ denken sollte -, sind in seiner Musik die Pausen ebenso wichtig wie die Stellen, an denen „aktiv“ musiziert wird. Warum? Weil Grové gerade durch seine klug gesetzten Pausen, Akzentuierungen und Synkopierungen den speziellen Sound seiner Musik gewinnt.
Dieser Sound ist durchaus exotisch, verrät auch (wenn man es weiß) die südafrikanische Herkunft. Er ist jedoch meilenweit entfernt von sogenannter Weltmusik.
„Seelenvogel“ von Stefans Grové ist in der Tat ein beeindruckend qualitätvolles Stück Musik, das zum Edelprogramm der jüngeren Neuen Musik gehört. Wieder einmal wird offenbar, wie viel gute, ja, hervorragende Musik uns durch unsere nach wie vor eurozentristische Sicht der Dinge entgeht. Aber auch das hatte uns das Meininger-Trio ja bereits im letzten Jahr vor Ohren geführt.

Die britische Komponistin Cecilia McDowall mag schottischen Ursprungs sein, es zeigt sich jedoch (wenn man sich die Zeit nimmt, um sich im Internet zu ihrem bisherigen Werkkatalog durchzuklicken), dass sie eine besondere Leidenschaft hat: Den Tango Argentino! Sie widmete dieser musikalischen Vorliebe bereits mehrere ihrer Werke, so auch das hier zu hörende „Not Just A Place“. Es entstand 1999 als Trio für Bratsche, Kontrabass und Klavier und erklingt hier in seiner bereits dritten Inkarnation (für Flöte, Cello und Klavier).
Mich persönlich kann das Stück allerdings nicht 100%ig begeistern. Das mag daran liegen, dass ich kein Fan von Tango-Klängen bin, vielleicht aber auch daran, dass ich kein besonderer Anhänger des Stils von Komponistenstar Peter Maxwell Davies bin, an dessen Musik mich das Stück von Cecilia McDowell häufig erinnert.

„Colores Andaluces“, ein Stück der spanischen Komponistin Elisenda Fábregas, ist 2006 entstanden und wurde der früheren Cellistin des Meininger-Trios (der 2011 tragischerweise verstorbenen Luxemburgerin Françoise Groben) gewissermaßen „auf den Leib komponiert“. Es ist bemerkenswert, dass sich die Namensgeberin des Meininger-Trios (die Flötistin Christiane Meininger) für dieses Cello-/Klavier-Duo komplett zurücknimmt und die Bühne allein ihren beiden Partnern Rainer Gepp (Klavier) und Miloš Mlejnik (Violoncello) überlässt.
„Colores Andaluces“ ist saft- und kraftstrotzende Musik mit spanisch-lateinamerikanischem Einschlag. Bereits im letzten Jahr kam mir angesichts des Fábregas-Stücks „Voices of the Rainforest“ spontan der Name Villa-Lobos in den Sinn, und auch dieses Mal gewinne ich für mich diese Assoziation – was durchaus als Kompliment an Elisenda Fábregas gemeint ist.
Es ist spürbar, dass die Aufnahme dieses besonders schönen, sowohl an Farben als auch an Schatten reichen Stücks auch eine Reverenz an die verstorbene Françoise Groben sein soll, die noch auf der letzten CD des Meininger-Trios mit ihrem sonoren und individuell gefärbten Spiel so sehr zu begeistern wusste.

Mit dem „Trio für Flöte, Violoncello und Klavier“ erklingt auf der neuen „Seelenvogel“-CD des Meininger-Trios auch ein neues Stück einer Komponistin aus dem deutschsprachigen Raum: Die Österreicherin Astrid Spitznagel ist vor allem als Pianistin bekannt, kann aber auch auf eine beeindruckende Karriere als Komponistin zurückblicken.
Ihr 2006 als Auftragsarbeit für das Kammermusik-Festival „Allegro vivo“ entstandenes Trio atmet hier und da den Geist des späten Strawinsky und ist auf der vorliegenden CD sicherlich das Stück, das „Neueinsteiger“ in die Neue Musik als das Anspruchsvollste empfinden werden. Es ist daher ganz bemerkenswert, dass es ausgerechnet dieses Stück ist, welches das Meininger-Trio ganz an den Anfang der Playlist gesetzt hat.

Besagtes Meininger-Trio musiziert übrigens erneut ganz ausgezeichnet. Man merkt, dass dieses Trio ein echtes Ensemble ist und nicht drei einzelne Musiker, die mehr oder weniger zufällig miteinander auf der Bühne stehen. Sie widmen sich der ausgewählten Musik nicht nur, sie gehen förmlich darin auf. Und es ist diese Begeisterung für die vorgestellten Stücke, die das gesamte Album „Seelenvogel“ wieder zu etwas Besonderem macht, etwas, das aus der Veröffentlichungsflut der Klassikszene wohltuend herausragt.

Allerdings fand ich persönlich die letztjährige CD in Sachen Aufnahmeklang etwas besser als dieses neue Album. Der Sound der neuen CD hat vor allem in den Höhen nicht genug Luft, nicht genug Brillanz. Das ganze Klangbild büßt dadurch an Räumlichkeit ein. Wie oft in solchen Fällen wurde durch ein Zusätzliches an Raumhall versucht, die Räumlichkeit nachträglich „wieder reinzuholen“. Das ist aber meines Erachtens eine Vorgehensweise, die letzten Endes immer wie ein klanglicher Kompromiss erscheinen muss, einfach weil es ja auch einer ist.
Allerdings gebe ich gern zu: Das ist mal wieder Meckern auf hohem Niveau. An der Aufnahme ist objektiv betrachtet kaum etwas auszusetzen. Aber bei www.the-listener.de steht eben auch der HiFi-Aspekt immer weit oben auf der Agenda, und nicht zuletzt hatte das Meininger-Trio mit der letzten CD „Voices of the Rainforest“ ja auch ein tatsächlich herausragendes „Klang-As“ im Ärmel, dessen umwerfenden Aufnahmesound man mit „Seelenvogel“ zumindest nicht 100%ig wiederholen konnte.

Insgesamt bleibt das jüngste Album des Trios um Christiane Meininger jedoch eine rundum empfehlenswerte CD, die vor allem Anderen die hervorragende Ensemblequalität und den – in meinen Augen – einfach grandiosen Musikgeschmack des Meininger-Trios beweist. Mit „Seelenvogel“ hatte dieses unkonventionelle Kammermusik-Ensemble erneut den Mut, einfach verdammt gute Musik aufzunehmen ohne sich dabei dem Mainstream-Markt anzubiedern.
Dem umsetzenden Label NCA ist dabei zu danken, dass es bereit war, diesen Weg mitzugehen. Aus „Seelenvogel“ hat es zudem eine sehr ansprechende und geschmackvoll ausgestattete CD gezaubert.
Es fehlt nun eigentlich nur noch das neugierige Publikum, das bereit ist, sich dieser wirklich guten, sehr entdeckenswerten und dazu überwiegend noch zugänglichen Musik zu widmen.

Vergessen wir nie: Unsere Kaufentscheidungen bestimmen über die zukünftige Ausrichtung des Klassikmarkts!
Wollen wir die einmillionste Beethoven-Sinfonien-Box mit Stardirigent XY oder wollen wir qualität- und im schönsten Sinne des Wortes seelenvoll musizierte Musik von heute, die unsere Zeit repräsentiert und reflektiert, die uns neue Hörwege aufzeigen kann – und das, ohne dass wir dabei auf Altbekanntes verzichten müssten!?

Ich für meinen Teil kann diese Frage eindeutig beantworten.
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