Erwin Schulhoff, Jean Sibelius & Leoš Janáček - StreichquartetteHochinteressante Wiederentdeckung von Schulhoffs erstem Streichquartettvon Rainer Aschemeier • 30. Juni 2012
Wenn es zwei Komponisten gibt, deren Wiederentdeckung wirklich lohnt, dann sind es Erwin Schulhoff und Mieczysław Weinberg. Darüber haben wir bei www.the-listener.de gerade in jüngerer Vergangenheit viel und häufig geschrieben. Die vielen Pluspunkte beider Komponisten, das völlig ungerechtfertigte allgemeine Vergessen ihrer Werke – all das möchte und muss ich an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholen. Regelmäßige Leser unseres Blogs wissen, dass ich ein großer Fan dieser beiden Komponisten bin und jede neue CD, die sich ihrem Werk widmet, zumindest mit großem Interesse verfolge und gern auch hier vorstelle, wenn es sich lohnt. Doch eines muss man mal erwähnen: Kaum ein Label in Europa hat sich um die Wiederentdeckung der Werke von Weinberg so verdient gemacht, wie NEOS – jenes erst 2007 ins Leben gerufene Label für Musik abseits des Mainstreams. Auf diesem hoch interessanten und qualitätsbewussten Label kommt nun die neueste CD des renommierten Henschel Quartetts heraus, und sie bringt nun NEOS auch in die Lage, ein vergessenes Streichquartett von Erwin Schulhoff wieder in den Fokus zu rücken. Leider ging Arte Nova bekanntlich pleite, und die frühen Großtaten des Henschel Quartetts muss man heute leider mit der Lupe suchen – sie sind derzeit nicht erhältlich. Während die beiden Werke von Sibelius und Janáček einem breiteren Publikum bekannt sein dürften, weswegen ich mir an dieser Stelle deskriptive Notizen erspare, ist das Schulhoff-Streichquartett eine echte Wiederentdeckung. Und was für eine! Im direkten Vergleich ist das Sibelius-Quartett etwas weniger überzeugend – und zwar sowohl, was die Komposition als auch deren Interpretation angeht: Sibelius war einfach kein Streichquartettkomponist. Das Henschel-Quartett nimmt diese Musik ungewohnt „klassizistisch“, pflegt recht schnelle Tempi und lässt das gewisse „nordische Flair“ sehr vermissen, das andere – insbesondere skandinavische – Streichquartettensembles im Falle dieses Stücks besser vermitteln. Der Vorteil dabei ist, dass Sibelius‘ Quartett sehr luzide und durchhörbar gerät – aber man erkauft sich diese Klarheit durch fehlende Atmosphäre. Das erste Streichquartett von Leoš Janáček zeigt, dass das Henschel-Quartett mit der musikalischen Sphäre der Osteuropäer sehr viel besser zurecht kommt. Janáčeks Werk erfährt durch das Münchener Quartett eine sehr inspirierte, geradezu spannende Interpretation, die der Referenzeinspielung des Schulhoff-Stücks auf derselben CD wieder das Wasser reichen kann. Fazit: Leichte Abzüge bei Sibelius, ansonsten eine einfach nur tolle Streichquartett-CD – die übrigens auch vorzüglich klingt! Sie besitzt eine ideale Räumlichkeit, eine fantastische akustische Auflösung und vermittelt einen sehr natürlichen, wirklichkeitsnahen Klang eines Streichquartetts. Das SACD-Format unterscheidet sich klanglich nicht allzusehr von der CD-Spur, was einerseits all jene freuen dürfte, die „nur“ einen normalen CD-Player besitzen und andererseits dafür spricht, dass man sich beim Mastering aller Spuren (5.1 ist auch vorhanden, ich kann es allerdings nicht rezensieren, da ich SACDs ausschließlich Stereo höre) viel Mühe gegeben hat. Das hatten wir ja bei anderen Labels (selbst bei den ganz namhaften) schon ganz anders – nämlich viel schlechter – erlebt. |
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