69°42' North - 19°00' East Perspectives (2012)
• • • • 69°42' North - 19°00' East PerspectivesMusik von Webern, Pärt, Kurtág, Högberg und Lutosławskivon Rainer Aschemeier • 1. Juli 2012
Neue Musik ist nicht jedermanns Sache. Es soll Leute geben, die würden eine CD, auf der die Namen Webern, Lutosławski oder Kurtág prangen, nicht einmal mit der Kneifzange anfassen – und selbst das ist vielleicht noch zu optimistisch gedacht. Noch immer schwelgt die Mehrheit der Klassikfans im Schönklang der Romantiker oder in der Galanterie der Wiener Klassik. Wenn schon „modern“, dann höchstens mal Strawinsky… Das norwegische Label Simax schafft es immer wieder, erlesenen Auswahl-CDs mit Neuer Musik breite Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wie es das macht? Die norwegische Stadt Tromsø liegt nördlich des Polarkreises. Sollte man bei diesem Foto kaum für möglich halten... Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Troms%C3%B8_view2.jpg In einer solchen Umgebung kann man sich schon einmal einsam, verlassen, vielleicht auch verzweifelt fühlen. Und die Musik, die hier ausgewählt wurde, ist durchwegs wohl gewählt und gut gespielt. Neben dem bereits angesprochenen Webern-Stück, das zweifellos zu den höchsten Gipfelpunkten der Musik des 20. Jahrhunderts gehört, hören wir auf dieser CD noch den „Cantus in Memoriam Benjamin Britten“ des Esten Arvo Pärt, das kurze Stück „Aus der Ferne“ von dem ungarischen Komponisten György Kurtág, das ungewöhnliche Kontrabasskonzert „Hitting the First Base“ vom enfant terrible der schwedischen Neue-Musik-Szene, Fredrik Högberg sowie „Musique funebre“ von dem bedeutendsten osteuropäischen Vertreter der Musik des späten 20. Jahrhunderts, Witold Lutosławski. Während die meisten Stücke eingefleischten Liebhabern der jüngeren E-Musik durchaus bekannt sein dürften, ist es „Hitting The First Base“ vom Schweden Högberg, das auf dieser CD den „Exotenbonus“ erhält. Es ist ein ziemlich durchgedrehtes Stück, dieses Kontrabasskonzert, dessen Satzbezeichnungen allein man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen sollte. So benannte der Komponist den ersten Satz etwa mit der Anweisung „Wie eine Pizza, mit allem drauf“. Der dritte Satz trägt die Satzbezeichnung „Wie die Musik zu einem Videospiel mit Cartoon-Rennautos“. Der letzte Satz ist schlicht „Home Run“ betitelt. Der Gesamteindruck der CD ist jedoch sehr sehr gut. Nicht nur wissen alle ausgewählten Stücke zu gefallen und sind ohne Zweifel ein höchst empfehlenswerter Einstieg für Neue-Musik-Einsteiger. Die CD ist zudem fabelhaft eingespielt, wobei das Tromsø Chamber Orchestra zeigt, dass es auf Weltklasse-Niveau musiziert. Der Klang ist ebenfalls sehr gut, erreicht meiner Meinung nach aber kein oberstes HiFi-Niveau. Das Klangbild müsste, um echtes HiFi-Niveau zu repräsentieren, insgesamt offener sein, klarer, durchhörbarer und zudem weniger mittenfixiert. Beim Kontrabasskonzert fehlt das Wichtigste, nämlich „Wumms“ im Bass. |
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