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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

F. Schubert - Klaviertrios op. 99 & op. 100
Trio Bamberg

(2012)
musicaphon / Klassik Center Kassel

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Franz Schubert - Klaviertrios op. 99 D898 & op. 100 D929

Top-Einspielung unter Referenzverdacht

von Rainer Aschemeier  •  6. Juli 2012
Katalog-Nr.: M 56934 / EAN: 4012476569345

In Sachen Schubert-Klaviertrios führte für qualitätsbewusste Interessenten im (physischen oder virtuellen) Plattenladen des Vertrauens der zielsichere Griff seit mehr als zehn Jahren in eine Richtung: Trio Wanderer auf Harmonia Mundi!
Etwas Anderes gab es in den letzten Jahren praktisch gar nicht, zumindest nicht für diejenigen, die ihren Schubert nicht Beaux-Arts-Trio-mäßig „überromantisiert“ haben wollten, sondern sich darüber bewusst sind, dass Schubert im Herzen bis zuletzt eigentlich ein Wiener Klassiker war und gerade einmal den Anfang der Romantiker-Bewegung in der Musik markiert.

Nun, all dies könnte sich nun ändern, denn auf dem Kasseler Qualitätslabel musicaphon ist unlängst eine glänzende Einspielung des Trio Bamberg erschienen, die der des Trio Wanderer einiges entgegenzusetzen hat.

Die Aufnahme, die in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk entstanden ist, ist nämlich nicht nur topaktuell und in glasklarem Sound aufgezeichnet worden, sondern sie ist vor allem auch in Sachen Interpretation allererste Sahne. Während wir letzteres auch dem Trio Wanderer nicht absprechen wollen, musste man schon vor über zehn Jahren konstatieren, dass bei den Wanderers der sonst so gelobte Harmonia Mundi-Sound nicht so recht überzeugen konnte.

Das ist hier anders: Zwar hätte ich es bevorzugt, wenn der Gesamtklang etwas weniger hallig wäre (die Aufnahme wurde in der Nürnberger Meistersingerhalle aufgezeichnet – vermutlich im kleinen Saal, doch auch der umfasst immerhin knapp 500 m²), doch ansonsten gibt es hier nichts zu meckern. Vor allem die Balance überzeugt mich total: Die Musiker des Trios sind akustisch sehr schön zu orten und kommen trotzdem als Ensemble aus den Lautsprecherboxen, nicht als drei nebeneinander spielende Solisten, wie man es leider bei weniger gut abgemischten Kammermusikaufnahmen häufig hört.
Die akustische Auflösung ist gut genug, um auch HiFi-Fans zufriedenstellen zu können und das Frequenzspektrum erscheint ausgewogen und in keine Richtung überbetont oder „unterversorgt“.
Kurz und gut: Dies ist eine klanglich sehr gut angelegte Aufnahme, die zeitlose Hörfreude garantiert. Und eben das war das große Manko bei der Harmonia Mundi-Aufnahme dieser Stücke vom Trio Wanderer, denn die neigte ein wenig zum Dumpfklingen, erschien in den Höhen „gedeckelt“ und – was ich persönlich viel schlimmer finde – war balancemäßig ganz und gar nicht ausgewogen.

Neben dem guten Sound dieser musicaphon-Novität ist aber vor allem die Interpretation des Trio Bamberg ebenfalls famos. Im direkten Vergleich zu den Herren vom Wanderer-Trio nimmt das Trio Bamberg diese Musik etwas weniger „klassizistisch“, geht einen Schritt mehr in Richtung Romantik und kommt somit wahrscheinlich dem Schubert-Bild entgegen, das die meisten Musikhörer erwarten und mögen. Das soll aber nicht heißen, dass die Musiker die Schubert-Trios hier nun musizieren, als wären sie spätromantische Kammermusik von Max Bruch (Auch das hört man ja leider oft genug). Das Trio Bamberg findet vielmehr eine sehr überzeugende Gratwanderung zwischen Wiener Klassik und deutscher Romantik und vermittelt so auf geradezu optimale Weise die „Aufbruchsstimmung“, die Schubert unter den Komponisten seiner Zeit ausgelöst hat.
Die Musiker entlarven aber auch jene tragischen Nuancen, die für die Musik des „späten“ Schubert so typisch sind, jene Unergründlichkeiten seiner Musik, die kein Musikwissenschaftler je adäquat erfassen können wird, weil sie einfach mehr sind, als nur Noten auf Papier oder Schall in der Luft.
Auch diese transzendentale Qualität von Schuberts Musik liegt dem Trio Bamberg offensichtlich.

Fazit: Eine echte Herausforderung für die gängigen Referenzaufnahmen dieser Stücke ist diese neue musicaphon-CD auf alle Fälle – und es würde mich nicht wundern, wenn bei so manchem Schubertianer die bisherige alte „Referenzeinspielung“ im CD-Schrank verschwindet, weil sie durch diese sehr schöne Neuaufnahme ersetzt werden kann.

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma Klassik Center Kassel, zur Verfügung gestellt.))

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