A. Rubinstein - Symphonie Nr. 2 "Der Ozean"; "Feramors"-Ballettmusik (2012/1993)
• • • • • Anton Rubinstein - Symphonie Nr. 2, op. 42 "Der Ozean" / Ballettmusik aus "Feramors"Der Maßstab in Sachen Rubinstein-Interpretation!von Rainer Aschemeier • 3. Mai 2012
Wäre es wohl vermessen, Anton Rubinstein den russischen Bruckner zu nennen? Sie haben jedenfalls eine ganze Menge gemeinsam, diese beiden: Fast auf das Jahr genau decken sich ihre Geburts- und Sterbedaten, sie hießen beide Anton mit Vornamen und sie agierten beide als Sinfoniker – soll heißen: Als Komponisten, deren Sinfonien fraglos im Zentrum ihres gesamten Schaffens stehen. Freilich hinkt der soeben angestellte Vergleich, dessen bin ich mir bewusst. Während Bruckner ein wegweisender Neuerer war, muss man Anton Rubinstein fairerweise eher eine gewisse Gestrigkeit attestieren, ohne dass das besonders böse gemeint wäre. Insofern ist Anton Rubinstein also vielleicht eher ein russischer Bruch als ein russischer Bruckner. Fakt ist jedenfalls, dass sich heute um das Werk von Anton Grigorjewitsch Rubinstein eine kleine, aber um so verschworenere Fangemeinde gruppiert hat, die den Komponisten und seine Stücke abgöttisch verehren und schon lange anstrebt, Rubinstein in Russland auf ein ähnliches Podest zu hieven, wie es beispielsweise Jean Sibelius in Finnland oder Ralph Vaughan Williams in Großbritannien zugekommen ist: Dem, eines großen, national motivierten Sinfonikers von gesamteuropäischer Geltung. Dazu gehört auch das kalifornische Label DELOS, hierzulande wohl auf immer und ewig vor allem für seinen exquisiten Zyklus der Sinfonien von Howard Hanson bekannt – seinerzeit mit dem Seattle Symphony Orchestra unter der Leitung von Gerard Schwarz. Jüngst erfolgte eine ganz ungewöhnliche Veröffentlichung auf diesem Label: Eine Einspielung von Rubinsteins zweiter Sinfonie op. 42, die den schönen Beinamen „Der Ozean“ trägt, vom russischen Staatssymphonieorchester unter der Leitung von Igor Golovchin. DELOS veröffentlicht hier nämlich Aufnahmen aus dem Jahr 1993, die 1994 im Rahmen eines kompletten Rubinstein-Zyklus auf dem hierzulande praktisch unbekannten (und im Übrigen inzwischen eingestellten) Label „Russian Disc“ erschienen waren. Das russische Staatssinfonieorchester legte seinerzeit eine unwiderstehliche Mischung aus „russischem Schmelz“ und grandioser, anderswo unerreichter Akkuratesse an den Tag. Und damit nicht genug: Diese wahrlich große Einspielung ist auch klanglich ein Genuss. Obwohl schon vor fast 20 Jahren aufgezeichnet, ist sie klangtechnisch auch heute noch absolut top. Die russischen Tonmeister Vladimir Koptsov und Igor Soloviev verstanden offenbar ihr Handwerk, denn in allen kritischen Punkten muss man ihrer Arbeit großes Können attestieren. Die Aufnahme klingt absolut durchzeichnend und transparent – was beinahe eine Rarität für Digitalaufzeichnungen in den frühen Neunzigern ist. Sie ist zudem äußerst gelungen ausbalanciert, vermag eine erfreulich realistische und naturgetreue Orchesterwiedergabe zu vermitteln und bringt auch den wunderbaren „Sound“ des großen Saals des Moskauer Tschaikowsky-Konservatoriums in optimaler Weise ins heimische Wohnzimmer. Lediglich in puncto Dynamikspektrum sind heutige Aufnahmen manchmal überlegen – aber auch nur die besten. Ansonsten ist das damals wie heute eine absolute Top-Aufnahme und ist nach wie vor die HiFi-Messlatte in der Rubinstein-Diskographie. DELOS hat also einen guten Griff in die Klamottenkiste getan. Für all diejenigen, die die seltene „Russian Disc“-Ausgabe nicht im CD-Schrank haben (und das dürften die Allermeisten sein), ist diese Neuveröffentlichung eine gute Gelegenheit. Die DELOS-Edition ist zudem ansprechender ausgestattet und kommt in einem zeitgemäßen neuen „Look“ daher. Fazit: Wer Rubinstein mag – und hier liegt der eigentliche Knackpunkt, denn nicht jeder ist vielleicht willens den spätromantisch-elegischen Duktus des Russen ohne Weiteres ins Herz zu schließen -, für den rückt dank DELOS nun die klanglich und interpretatorisch denkbar beste Wiedergabe der zweiten Rubinstein-Sinfonie wieder in greifbare Nähe. Zusätzlich ist die Ballettmusik aus der Oper „Feramors“ enthalten, die zumindest mich jedoch weit weniger interessiert, als die doch beachtlich gute zweite Sinfonie. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma Naxos, zur Verfügung gestellt.)) |
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