21st century portraits - Ensemble XX. JahrhundertMehr oder weniger zukunftsweisende Klänge aus dem 21. Jahrhundertvon Rainer Aschemeier • 5. Mai 2012
Wer www.the-listener.de regelmäßig liest, weiß, dass unsere website neben vielem Anderen vor allem ein Augenmerk auf die Musik der klassischen Moderne sowie der sogenannten Neuen Musik hat. Eins vorweg: Sollte sich diese CD nicht gut verkaufen, kann man kaum dem hier enthaltenen Programm oder den ausführenden Musikern einen Vorwurf machen. Eher schon dem Label, denn diese CD ist zumindest online so gut wie nicht zu finden: Bei amazon.de ist der Albumtitel eher kryptisch eingetragen und bei itunes ist die Scheibe mit dem originellen Albumtitel „Jahrhundert“ ausgewiesen. Ergebnis von zu viel Typografie auf dem Albumcover? Und dabei hätte gerade diese Neuerscheinung des in letzter Zeit beachtenswert mutigen „capriccio“-Labels eine möglichst große Aufmerksamkeit verdient gehabt. Das renommierte Ensemble XX. Jahrhundert (kurz: exxj) hat sich alle Mühe gegeben, einen sehr stimmigen Überblick über die derzeitige Neue Musik-Szene zu liefern, wenngleich hierbei (bis auf eine Ausnahme) vor allem Komponisten berücksichtigt wurden, deren Wurzeln im deutschsprachigen Raum liegen. Zu hören sind Stücke von Thomas Heinisch, Wolfgang Liebhart, Karlheinz Essl, Hannes Heher und Jorge Sánchez-Chiong. Es handelt sich bei diesen Namen durchwegs um bereits gestandene Komponistenpersönlichkeiten, die sich altersmäßig in ihren Vierzigern oder Fünfzigern befinden. Musikalisch bietet die Platte fast alles, was derzeit stilistisch im Bereich der Neuen Musik so „los“ ist. Das reicht von Kompositionen, die noch stark im Serialismus des 20. Jahrhunderts verankert sind bis hin zu freieren, auch neu-tonale Einflüsse mit einbeziehenden Stücken, die im engeren Sinne sicherlich als moderner eingestuft werden können. Aus den fünf enthaltenen Stücken finde ich persönlich zwei besonders ansprechend. Sie sind so gegensätzlich, wie es nur sein kann: Karlheins Essls „blurred“ ist eine sehr geschickt komponierte, zum Teil zart und zerbrechlich wirkende 15-minütige Komposition, die sicher zum Besten gehört, was ich an Musik aus dem 21. Jahrhundert bislang gehört habe. Es ist teilweise wahrhaft atemberaubend, wie der Komponist aus nur drei Instrumenten (Flöte, Vibraphon und Violoncello) sowie Live-Elektronik (die der Komponist bei der Aufnahme selbst bediente) ein vermeintlich „großes“ Ensemble erstehen lässt und wie sich daraus ein Gespinst aus Klängen formt. Der Sound der Aufnahmen ist erfreulich direkt und „ehrlich“. In der Tat würde ich mir wünschen, dass mehr Aufnahmen so derb und mitten aus dem Leben genommen klingen würden, wie diese. Dabei lassen die wichtigen Aspekte der akustischen Auflösung und der Räumlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig. Diese Live-Aufnahmen klingen in der Tat deutlich besser, als so manche capriccio-Studioproduktion aus den letzten Jahren. Fazit: Eine ausgezeichnete CD, die derzeit leider schlecht vermarktet wird. Ein Grund mehr, um bewusst und gezielt zuzugreifen! Auch der Sound stimmt, gerade weil er mit Ecken und Kanten daherkommt. Ich persönlich bin völlig begeistert! Höchstwertung. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma Naxos, zur Verfügung gestellt.)) |
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