L. Janáček - Taras Bulba / Mährische Tänze / Walachische Tänze (2012)
• • • • Leoš Janáček - Taras Bulba, Mährische Tänze, Walachische TänzeLeoš Janáčeks sinfonische Dichtung "Taras Bulba" in einer überzeugenden neuen Einspielungvon Rainer Aschemeier • 17. April 2012
Neben der Oper „Jenufa“, der „Sinfonietta“ und einigen Klaviermusikzyklen und Streichquartetten ist die sinfonische Dichtung „Taras Bulba“ wohl die bekannteste Komposition des Tschechen Leoš Janáček. Dieser Wind hat sich gehörig gedreht. Heute wissen viele „Gelegenheits-Klassikhörer“ nicht einmal mehr etwas von der Sinfonietta, geschweige denn von „Taras Bulba“ oder gar den anderen, auf dieser CD enthaltenen Stücken – den mährischen und den walachischen Tänzen. Ich sag’s jetzt mal geradeheraus: Ich verstehe das nicht! Janáčeks Opern, die sowohl in Sachen Musik als auch durch ihren thematischen Gehalt häufig als durchaus „unbequem“ bezeichnet werden können, werden immer beliebter, während die in Janáčeks Schaffen noch am ehesten als „mainstreamkompatibel“ einzustufende Orchestermusik mehr und mehr droht, in den Hintergrund zu geraten. Fairerweise muss man aber auch konstatieren, dass die Plattenlabels dieser Welt sich der Orchestermusik des Tschechen schon früh annahmen, während die Opern bis auf wenige Ausnahmen oft noch bis in jüngste Zeit nicht auf CD vorlagen. Die Labels hatten also in Sachen Oper viel mehr „aufzuholen“, was auch ein Grund dafür gewesen sein mag, warum die Orchestermusik Janáčeks in den letzten zwei Jahrzehnten etwas an Prominenz einbüßte. Schließlich gab es genug hervorragende Einspielungen dieser Werke. Naxos hatte bereits im letzten Jahr sehr schöne Neueinspielungen der Sinfonietta und der Glagolithischen Messe vorgelegt. Nun folgt eine Neuaufnahme von „Taras Bulba“. Ebenso wie letztes Jahr ist wieder das Philharmonische Orchester aus Warschau unter der Leitung ihres großartigen Chefdirigenten Antoni Wit am Werk. Wit hatte in den letzten Jahren vor allem mit seinen hochkarätigen Mahler-Aufnahmen für Wirbel gesorgt, hatte aber schon Mitte der 1990er-Jahre zum Teil ganz fantastische Einspielungen von Werken Béla Bártoks und Witold Lutosławskis vorgelegt, die bis heute mit zum Besten gehören, was es am Markt gibt. Die nun vorliegende „Taras Bulba“-Darbietung ist ebenfalls gelungen. Antoni Wit hat einfach ein Händchen für groß angelegte Partituren. Er besitzt zudem die notwendige Erfahrung in den Bereichen der Spätromantik und der Neuen Musik zu gleichen Maßen. Dies kommt der hier zu hörenden Einspielung von „Taras Bulba“ sehr zugute – einem Stück, dem immer wieder eine gewissermaßen „unkritische“ spätromantische Lesart angeheftet wird. Leider sind die Warschauer Philharmoniker bei näherem Hinhören aber dann doch ein Orchester, das nicht in der allerersten Liga mitzuspielen vermag. Die rhythmische Durchdringung des Orchesters gelingt Wit jedenfalls nicht so, wie er das gern möchte. Die Streicher und die Bläsersektionen (sowohl Holz als auch Blech) sind rhythmisch durchaus nicht immer 100%ig synchron. Das merkt man bereits bei „Taras Bulba“, noch stärker aber bei den folgenden, folkloristischen Tanzsuiten „Walachische Tänze“ und „Mährische Tänze“. Das ist durchaus ein Manko dieser Aufnahme, das aber durch eine immense Spielfreudigkeit des Orchesters sowie einen sehr guten Aufnahmeklang weitgehend wieder wettgemacht wird. Abschließend kann nicht verschwiegen werden, das es am Markt zweifellos Einspielungen gibt, die einen mehr „rundum“ zu überzeugen verstehen. Gleichwohl ist diese neue sehr zu begrüßen. Sie hat nicht nur einige Klasse und Qualität, sondern ihr Dirigent hat auch eine Vision und eine eigene Interpretationspraxis, was Janáček angeht. Das ist aller Ehren wert und zudem eher selten. Alles in allem also eine Empfehlung! ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise von der Firma Naxos zur Verfügung gestellt.)) |
StöbernVerwandte / ähnliche Artikel: ArchivAlle Reviews können im Archiv nachgeschlagen werden. Dort ist auch eine gezielte Suche möglich. |