"A Lotus Blossoming"Nachgelegt! Das Ensemble Liaison aus Melbourne erweist sich erneut als die Kammermusikentdeckung schlechthinvon Rainer Aschemeier • 5. März 2012
Erst im Januar hatte ich die Freude, die im letzten Jahr veröffentlichte Debüt-CD des Trios mit dem hübschen Namen „Ensemble Liaison“ auf den www.the-listener.de-Thron zu hieven und mit der Auszeichnung CD des Jahres zu schmücken. Noch immer bin ich hin und weg von dieser Wahnsinns-Einspielung von Kammermusikwerken Beethovens, Brahms‘ und Bruchs. Nun erschien pünktlich zum Jahresstart auf dem australischen Label „MELBA“ die neue CD des Trios, das sich hier für ein Stück (durch die Violinistin Wilma Smith verstärkt) zum Quartett mausert. Das musikalische Programm setzt dort an, wo die Debüt-CD des Ensembles anno 2011 aufhörte: Man endete seinerzeit bei Bruch und beginnt die neue CD nun mit dem wunderbaren Klarinettentrio von Alexander von Zemlinsky. Besonderes Augenmerk verdient jedoch die Einspielung von Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“, also das „Quartett für das Ende der Zeit“. Eine "Spezialität" Olivier Messiaens war die musikalische Imitation von Vogelgesängen. Besonders das Gezwitscher der Mönchsgrasmücke hatte es ihm angetan. Im "Quatuor poul la fin du temps" ist vom "Abgrund der Vögel" die Rede. Nie klang nachgeahmter Vogelgesang abgründiger, seelentiefer. (Bild gemeinfrei). Doch beginnen wir mit dem Zemlinsky-Trio: Dieses wunderschöne und leider nur selten zu hörende Stück zeigt fortschrittliche Spätromantik des Fin de siècle auf höchstem Niveau. Alexander von Zemlinksy war zu seiner Zeit – ganz ähnlich wie Gustav Mahler – ein gefeierter Dirigent und Interpret, aber ein umstrittener Komponist, der für die Durchsetzung seiner Werke viele Kämpfe auszustehen hatte. Nirgendwo hört man das besser, als in dem hier neu eingespielten, knapp halbstündigen Klarinettentrio. Es ist ein frühes Zemlinsky’sches Meisterwerk, bei dem besonders die Instrumentierung beeindruckt. Scheinbar fortwährend perlende Klaviergirlanden und eine unaufdringliche, gleichwohl äußerst effektive Cellopartie bilden eine melancholisch opalisierende Basis für die solistisch sehr anspruchsvoll geführte Klarinette. Das ist ein ganz wunderhübsches Stück, das es ohne Zweifel verdient hätte, häufiger im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Dieser Umstand wird überdeutlich beim nachfolgenden Messiaen-Stück, das hier eine der besten Deutungen erfährt, die ich bislang gehört habe. Nur allzu oft machen Interpreten beim „Quatuor pour la fin du temps“ den Fehler, die Gefühlsebene quasi auszuschalten. Warum das so ist, war mir stets schleierhaft. Vielleicht möchte man dieses Stück, dass Messiaen bekanntermaßen während der Inhaftierung im Kriegsgefangenenlager Görlitz-Moys (nicht „Konzentrationslager“, wie häufig zu lesen ist) komponierte, betontermaßen in einer Aura emotionaler Kälte vortragen, um die Schrecken seiner Entstehungszeit noch plastischer vor Augen zu führen? Gut möglich, aber der Schuss geht nach hinten los. Erfreulicherweise ist auch bei der hier vorgestellten MELBA-Novität der vorzügliche Tonmeister Alex Stinson zum Einsatz gekommen, der bereits die letztjährige Debüt-CD des Ensembles aus Melbourne klanglich veredelt hatte. Auch diese neue CD kann mit allen Adjektiven geschmückt werden, welche bereits das Debüt auszeichnen. Sie klingt konsequent natürlich, völlig ausgewogen, erfreulich räumlich mit idealem Hallanteil und – ich muss es noch einmal sagen – natürlich, natürlich, natürlich. Das ist erneut eine f a n t a s t i s c h naturgetreue Aufnahme und damit zu 110 Prozent HiFi-tauglich. Fazit: Winzige Abstriche bei Zemlinksy, dafür aber ein Messiaen, der einen umhaut. Wunderbar! ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „Klassik Center Kassel“ zur Verfügung gestellt.)) |
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