Bruno Maderna — Klavierkonzerte + "Quadrivium"Tour de Force durch fast 30 Jahre Maderna-Musikvon Rainer Aschemeier • 21. November 2011
Von den „Leuchttürmen“ der Neuen Musik war Bruno Maderna schon immer einer derjenigen, die nicht ganz so hell gestrahlt haben. Kein Wunder: Bereits 1973 verstorben stand er eigentlich immer im übergroßen Schatten der beiden Giganten der italienischen Neuen Musik: Luigi Nono und Luciano Berio. Häufig vergessen wird aber, dass Madernas Werk noch im Expressionismus und Futurismus italienischer Prägung fußt, dass er noch beim Großmeister Gian Francesco Malipiero in die „Lehre“ ging und dass Maderna somit (ganz ähnlich übrigens wie György Ligeti) eine beachtliche Entwicklung durchmachte. Aus der „Serialismus-Falle“, in die fast alle avantgardistischen Komponisten in den 1960er- und 70er-Jahren hineingerieten, konnte er sich indes nicht mehr befreien. Während er mit nur 53 Lebensjahren verstarb, etablierten sich Nono und Berio, schufen neue Klangwelten und befreiten sich auch zusehends von den Zwängen der Serialisten-“Schule“. Was den Zugang zu Madernas Musik bis heute zusätzlich erschwert, ist ein heilloses Durcheinander, was seinen Nachlass angeht. Insbesondere sein Frühwerk, das der Komponist, der von notorischem Selbstzweifel geplagt war, nicht so hoch schätzte wie seine späteren Kompositionen, wurde teilweise offenbar „in alle Winde verstreut“: Maderna vertraute einige Kompositionen buchstäblich dem Aktenordner an, und sie landeten dann auf irgendeinem Lagerregal, ohne dass jemand gewusst hätte, dass es die darin vor sich hinschlummernden Werke überhaupt gibt! Eine dieser „Karteileichen“ ist Maderna Klavierkonzert aus dem Jahr 1942. Es ist ein noch unüberhörbar vom Stil seines Mentors Malipiero beeinflusstes Werk, in dem Holzbläser und Streicher erstaunlich lyrische Stimmungen hervorrufen, die so gar nicht in unser Bild von Maderna als Avantgardisten passen wollen. Und so kann man konstatieren, dass auch die von uns zumeist ohne Bedenken als „Neue Musik“ titulierte Melange von Stücken aus dem 20. und 21. Jahrhundert so langsam an den Punkt kommt, wo man eigentlich mal wieder einen „Strich“ ziehen müsste. Maderna wäre dann bereits ein „Klassiker“ in der Musik der letzten 100 Jahre, und das hört man seinen Stücken auch an. Ich wage sogar zu behaupten, dass vor allem „Quadrivium“, eine der explizit serialistischen Kompositionen des Italieners, einen heute hier und da auch zum Schmunzeln anregen kann. Dies aber weniger wegen Madernas durchaus qualitätvollen Stücks, sondern eher wegen den Horden von Komponisten, die heute immer noch so komponieren, wie vor über 40 Jahren und das auch noch für „Neue Musik“ halten. Die CD ist in zwei separaten Aufnahmesessions entstanden: Das Klavierkonzert in der Orchesterfassung und „Quadrivium“ wurden live beim Festival „Verona contemporanea intersezioni“ mitgeschnitten, das Klavierkonzert in der Fassung für zwei Soloklaviere sowie das Konzert für zwei Klaviere und andere Instrumente wurden im Konzertsaal des Klavierherstellers Fazioli in Sacile mitgeschnitten. Aus zuletzt genannten Räumlichkeiten konnten wir neulich schon eine sehr schön aufgenommene CD-Produktion begrüßen. So auch diesmal. Die Live-Einspielungen klingen auch erfreulich gut, vor allem angesichts der Tatsache, dass manchen Tonmeistern bei Live-Mitschnitten oft der Finger zu lose auf der Geräuschunterdrückungstechnik liegt. Zwar hat man auf dieser CD ein paar lebhafte Eindrücke von hustenden Veronesern, doch der Gesamtklang bleibt schön natürlich, räumlich und vermag zudem mit einem samtigen Streicherklang zu entzücken (schade nur, dass auf diesem Album die Streicher so selten zu hören sind…). Das Orchestra della Fondazione „Arena di Verona“ unter der Leitung von Carlo Miotto macht seine Sache mehr als gut; ich würde eher von „Spitzenleistung“ reden, angesichts so komplexer Partituren wie „Quadrivium“. Auch beide Pianisten (Aldo Orvieto und Fausto Bongelli) sind engagierte Sachwalter von Madernas Musik und haben es auch technisch „drauf“, diese überzeugend vorzutragen. Das Ensemble „Gruppo 40.6“ platziert die spärlichen „Plings“ und „Plongs“, die es von sich geben darf, ebenfalls gekonnt, sodass man auch für das Doppelkonzert nur Gutes berichten kann. Fazit: Diese CD repräsentiert das erfreuliche Schließen einer Repertoirelücke, und zwar in bemerkenswert guter Qualität. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise von der Firma Naxos zur Verfügung gestellt)) |
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