J. C. Schiefferdecker - Musicalische Concerte (2011)
• • • • • Johann Christian Schiefferdecker - Musicalische Concerte (Hamburg 1713)Zu unrecht vergessene Fröhlichkeitenvon Rainer Aschemeier • 4. November 2011
Großen großen Spaß hat mir unlängst eine CD vom niederländischen Qualitätslabel „challenge classics“ bereitet. Es ist eine CD mit Weltersteinspielungen einiger Konzerte des Hamburger/Lübecker Komponisten Johann Christian Schiefferdecker, der in puncto Bekanntheitsgrad stets darunter gelitten hatte, dass die Fußstapfen, in die er in Lübeck als Organist und Komponist trat, vielleicht einfach eine Nummer zu groß für ihn waren: Er folgte nämlich auf den in Lübeck bis heute legendären Dietrich Buxtehude. Um Buxtehude einmal im Leben zu hören, pilgerten die Menschen aus ganz Deutschland nach Lübeck, darunter nicht zuletzt Johann Sebastian Bach, der die beinahe 500 Kilometer lange Reise von Arnstadt nach Lübeck sogar zu Fuß bewältigte. Dass das Elbipolis Barockorchester aus Hamburg, die dort die ungewöhnliche Electro-Klassik-Mixtur-Aboreihe „Barock-Lounge“ anbieten, sich diesen vergessenen Frühwerken Schiefferdeckers aus dessen Hamburger Zeit annehmen, grenzt fast an ein Wunder und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Diese Stücke sind nämlich so ziemlich mit das Unterhaltsamste und Fröhlichste, was ich in diesem Jahr in Sachen Barockmusik so zu hören bekam. Das Elbipolis Barockorchester tut allerdings auch viel dafür, um den heiteren, tänzerischen Charakter dieser Stücke zu betonen, indem es ihnen mit Trommeln, Schellen und co. beikommt — was so hundertprozentig nicht im Notentext steht, sondern einem individuellen Interpretationsansatz des Ensembles entspringt. Das zeugt nicht nur von einigem Selbstbewusstsein, sondern auch von Weitblick, denn Schiefferdeckers Stücke eignen sich für solche Interpretationen nur zu gut. Diese CD macht einfach „Laune“ und es wäre ungerecht, sie in puncto Kompositionsqualität mit Buxtehude oder gar Bach vergleichen zu wollen. Schiefferdecker zieht auf dieser Ebene nämlich tatsächlich den Kürzeren. Doch wenn man gelassen genug ist, um sich diesen Stress gar nicht erst selbst einzubrocken, wird man diese Stücke einfach wegen ihrer Ausgelassenheit, Unbekümmertheit und Melodiefülle nicht mehr missen wollen. Seitdem ich diese CD besitze, kommt sie irgendwie nicht mehr aus meinem CD-Player. Sie ist für mich zu einem richtigen Lieblingsstück geworden, und was kann es schöneres geben, als das? Zu dem „Lieblingsstück“-Charakter hat im Übrigen auch der tadellos aufgenommene Klang beigetragen, für den die renommierten Tonmeister des Westdeutschen Rundfunks verantwortlich zeichnen. Sie zauberten einen blitzsauberen, schön aufgelösten, natürlichen Sound auf die Scheibe, der das Orchester sehr klar und naturnah abbildet ohne auf Effekthaschereien wie künstliche Hallräume oder die Betonung bestimmter Frequenzbereiche zurückgreifen zu müssen. Also ist die CD auch für Hifi-Fans genau das Richtige und lohnt sich sehr. Fazit: Gelungene Wiederentdeckung, der hoffentlich noch weitere Schiefferdecker-CDs folgen werden! ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Label „challenge classics“ zur Verfügung gestellt.)) |
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