Paul Hindemith — 41 Stücke für 2 Violinen / Sonaten op. 31/1 und 31/2 für Sologeige"Schule" mal anders...von Rainer Aschemeier • 1. November 2011
Eine der schönsten CDs, die ich in diesem Jahr gehört habe, stammt aus dem renommierten Hause „Coviello classics“. Manch einer wird die Stirn runzeln und sich fragen, ob etwas, was einem „Geigen-Schulwerk“ entspringt und zudem noch vom für seinen „akademischen Stil“ berüchtigten Paul Hindemith komponiert wurde, wirklich „schön“ genannt werden kann. Doch ja, es stimmt! Bei Hindemith ist der ihm zugeschriebene „Akademismus“ ein zwar weit verbreitetes Vorurteil, doch eben das: Ein Vorurteil! Zustande kam es durch erstaunlich viele geradezu eiskalte Darbietungen seiner Musik (vor allem der Kammermusik), die schwerpunktmäßig in den 1980er- und 1990er-Jahren erschienen, als der allgemeine Konsenz zu sein schien, dass Musik der expressionistischen Moderne irgendwie „zackig“ musiziert werden müsse. Geradezu grotesk erscheinen einem diese Aufnahmen manchmal im Vergleich mit so wunderbaren Kammermusikdarbietungen, wie wir sie hier von dem Violinduo Ida Bieler und Georg Sarkisjan zu hören bekommen. Sie legen mit dieser CD die erste Gesamteinspielung aller 41 Stücke für zwei Violinen vor, die Hindemith zu unterschiedlichen Zeitpunkten seiner Karriere für verschiedene pädagogische Zwecke geschrieben hat. Darunter sind viele Stücke für Amateure, ja, für Kinder. Dass solche Miniaturen, die im Vortrag oft noch nicht einmal 20 Sekunden dauern, weit mehr sind als blasse „Kinderetüden“, nämlich veritable, wirkmächtige und gelungene Kompositionen mit Werkcharakter, ist das Ergebnis wahrer Meisterschaft eines der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts, der in seinem Heimatland Deutschland schon zu Lebzeiten angefeindet wurde und selbst heute noch nicht überall hoch genug geschätzt wird. Das Verdienst von Bieler und Sarkisjan ist es, dass sie diese genialen Winzigkeiten absolut ernst nehmen, jede Note auf die Waagschale legen. Man könnte vermuten, dass dadurch erst recht ein trockener Vortrag entstünde, doch weit gefehlt: Die beiden Künstler musizieren diese Musik mit einer Wärme und Hingabe, die wirklich beeindruckend ist. Abgerundet wird das Programm auf dieser CD durch zwei Sonaten für Solovioline, die mich jedoch weit weniger beeindrucken konnten, als das sensationelle „Geigen-Schulwerk“, das Bieler und Sarkisjan mit dieser editorischen Großtat dem kollektiven Vergessen entrissen haben. Bravo! Ein „Bravo“ auch den Tonmeistern des Saarländischen Rundfunks, die wieder einmal ganze Arbeit geleistet haben. Sie greifen den warmen, emotionalen Ansatz des Violinduos auf und bieten dazu einen zwar etwas höhenarmen, doch dafür in den Mitten samtig-seidigen Klang mit gerade genug Räumlichkeit, um die Einspielung nicht zu trocken tönen zu lassen. Fazit: Rundum wunderbar! Eine Empfehlung für Hindemith-Fans und solche, die es werden wollen. |
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