Ed Bennett - My Broken MachinesZwischen Breakbeat und Langeweilevon Rainer Aschemeier • 5. Oktober 2011
Gerade einmal 36 Jahre alt ist der nordirische Komponist Ed Bennett, dem das britische Label für neue Musik „NMC“ hier eine Kammermusik-Compilation widmet. Wie man fast schon annehmen konnte, bedeutet „Kammermusik“ heutzutage etwas anderes als in den Zeiten der Klassiker, sodass es nicht verwundert, wenn die hier zu besprechende CD „My Broken Machines“ durch einen herzhaft schräg in die Länge gezogenen Ton einer verfremdeten elektrischen Gitarre eröffnet wird. Es ist auch der Auftakt zu dem ersten Stück der Scheibe, das Bennett den programmatischen Namen „Stop-Motion Music“ gegeben hat. Es nimmt bereits viel von dem vorweg, was wir auf der hier vorliegenden CD zu hören bekommen werden: Bennetts Markenzeichen ist eine gewisse rhythmische Vertracktheit, die mal abgehackt und „kantig“ Erinnerungen an Breakbeat-Klänge aus dem Popmusikbereich aufkommen lässt, um gleich darauf in lange, mitunter eintönige Passagen automatisiert wirkender „Dampfmaschinenmusik“ zu verfallen, wie wir sie von Komponisten wie Mossolow oder Honegger schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu hören bekamen. Zwar haben alle Stücke auf dieser Neuveröffentlichung des lobenswerten britischen NMC-Labels ihre Eigenheiten, doch rhythmische Kinkerlitzchen der genannten Art weisen sie alle auf, die Kompositionen von Ed Bennett. Das mag auch daran liegen, dass der Urheber dieser Musik dort, wo die kompositorische Einfallskraft nachlässt, die Lautstärke als vordergründigen „Hallo wach“-Effekt ins Rennen schickt, was im Endeffekt jedoch weniger die vermutlich erwünschte Dynamik wettzumachen vermag, als vielmehr konstant nervtötend wirkt. Dies zumal deswegen, weil es offensichtlich ist, dass die Flucht ins Dauer-Forte als ein Kommentar zu unserer schnellebigen Zeit gemeint sein soll. Und das ist nun doch eine ziemliche Platitüde. Ironischerweise ist es denn auch ein langsames, zurückgenommenes Stück, das substanziell gesehen am meisten überzeugen kann. Es handelt sich dabei um das Streicher-Trio „Slow Down“. Stichwort Titel: Bennetts größter Vorteil und größter Nachteil zugleich ist es, dass er fast allen Stücken dieser CD programmatische Titel gegeben hat. Wir hören hier Stücke namens „My Broken Machines“, „Ghosts“ oder „Cartoon Music“. Das erleichtert ungeübten Hörern Neuer Musik vom Schlage, wie Bennett sie hier vorstellt, wahrscheinlich den Zugang enorm; zumal der Hörer in aller Regel auch bekommt, was der Titel verspricht. Dabei ist es aber gerade auch dieser Ansatz, der aufzeigt, wie oberflächlich der Komponist doch versucht, über quasi visuelle Programmtitel zu musikalischen Ideen zu gelangen. Sollte die Reihenfolge andersherum gewesen sein, und die musikalische Idee wäre zuerst dagewesen und hätte im Umkehrschluss die Suche nach einer programmatischen Entsprechung hervorgerufen, würde das die Sache kaum besser machen. Ed Bennetts Musik bleibt somit zwar mit Vergnügen hörbar, auch ist ihr einige Frische und Unbekümmertheit eigen, die das Hörvergnügen auf sehr sympathische Art und Weise um den Gedanken bereichern, man habe es hier endlich mal wieder mit etwas „frischem Wind“ in der doch sehr durchakademisierten Neue Musik-Szene zu tun, gleichwohl hinterlässt sie aber auch einen faden Beigeschmack, weil strukturelle Defizite allzu offensichtlich sind. Diese Defizite kann der Komponist nur partiell durch eine famose Handwerklichkeit ausgleichen, denn seine Klangfarben und -effekte sind zum Teil einfach ganz wunderbar, was darauf hindeutet, dass wir es in Ed Bennett mit einem echten Instrumentierungskünstler zu tun haben. Drei Ensembles und zwei Solokünstler legen sich auf dieser neuen NMC-CD sehr ins Zeug, um bestmögliche Darbietungen von Ed Bennetts Musik vorzulegen. Es sind dies Bennetts selbst gegründetes Ensemble „Decibel“, das Fidelio Trio und das ConTempo Quartett sowie der Viola d’amore-Virtuose Garth Knox und der Bassklarinettist Paul Roe. Sie allesamt widmen sich dieser Musik, als wäre sie das Größte auf diesem Planeten, sodass derjenige, der sich in Bennetts Musiksprache wiederfindet hier echte Referenzaufnahmen auf dem Silbertablett präsentiert bekommt. Veredelt wird das Ganze noch durch einen sehr luziden und hoch aufgelösten Sound, der jeder High-End-Anlage zur Ehre gereicht. Kompliment an die Tonmeister dieser Aufnahme, die hier nicht nur einfach hervorragende Arbeit geleistet, sondern auch das Kunststück hinbekommen haben, aus Aufnahmen ganz unterschiedlicher instrumentaler Besetzungen ein klanglich durchaus homogenes Album zu formen. Hut ab! Fazit: Ed Bennetts Musik ist leider etwas vordergründig und leidet unter manchen Einschränkungen struktureller Natur. Mich persönlich hat das durchaus etwas geärgert, denn ich denke mir, dass der Komponist seinem Publikum ruhig etwas mehr zutrauen könnte. Das doch etwas arg plakative „Unter-die-Nase-reiben-wollen“, das der Komponist mit seiner zum Teil recht platten Programmatik betreibt, langweilt leider schnell. Andererseits ist es aber vielleicht gerade dieses immer wieder neu vor Augen halten des programmatischen Grundkonzepts der einzelnen Stücke, was den Zugang für ungeübte Hörer immens erleichtern kann. Und es wäre dringend vonnöten, dass wir mehr Hörer für Neue Musik gewinnen, denn ein Label wie „NMC“ kann sich derzeit noch nur als durch Spenden und staatliche Zuschüsse finanzierte Organisation am Leben erhalten. In diesem Sinne: Wenn’s neue Hörer bringt, erteile ich dieser CD jegliche Absolution; zumal sie klanglich selbst höchste Ansprüche befriedigen dürfte. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Deutschland-Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt)) |
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