Arvo Pärt - Klaviermusik (2011)
• • • • Arvo Pärt — KlaviermusikToller Überblick über das Klavierschaffen des estnischen Star-Komponistenvon Rainer Aschemeier • 10. September 2011
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde diese neue Naxos-CD vor allem Musik für Solo-Klavier von Arvo Pärt enthalten, jenem estnischen Komponisten, der spätestens seit der zigtausendfach verkauften ECM-CD mit dem Titel „Tabula Rasa“ zu den Bestsellern unter den zeitgenössischen Komponisten gehört. Doch das stimmt nicht: Die CD enthält etwa gleich viel Soloklaviermusik und Musik für Klavier und großes Orchester. Der Eindruck entsteht nur dadurch, dass es sich bei dem Programm dieser CD um relativ viele relativ kurze Klavierstücke handelt und um einen mehr als 35-minütigen „Orchesterboliden“ namens „Lamentate: Homage to Anish Kapoor and his sculpture `Marsyas´“ aus dem Jahr 2002. Dieses Stück verhehlt eigentlich nur vom Titel her, dass es sich dabei im Prinzip um ein beinahe normales Klavierkonzert handelt — sehr ungewöhnlich für Arvo Pärt, der ab Mitte der 1970-er bis zur Jahrtausendwende die großen Formen wie Sinfonie und Konzert eher gemieden hat. Doch im Jahr 2009 hat uns der estnische Meister ja auch eine vierte Sinfonie beschert, was wohl die wenigsten erwartet hätten — stammte seine umstrittene Dritte doch aus dem Jahr 1971… So könnte man also sagen, dass Pärts „Lamentate“ die typische „Pärt-gewordene“ Neo-Tonalität, die der Komponist einst als „Tintinabuli-Stil“ bezeichnete, mit dem orchestralen Aufwand seiner Frühwerke verquickt. Das ist durchaus reizvoll, aber auch weniger „bequem“, als die Werke, die wir von diesem Komponisten aus den 1980-er- und 1990-er-Jahren gewohnt waren. Und das ist auch gut so! Denn der Spott von Fans Neuer Musik auf die (nur scheinbar) reaktionären Werke des Esten war ja schon fast sprichwörtlich. Der Pianist dieser Aufnahme, der Niederländer Ralph van Raat, hat sein Programm sehr klug aufgebaut, indem er uns einer Zeitreise ähnlich Arvo Pärts bisherige Stilwandel vom Opus 1 aus dem Jahr 1958 bis heute miterleben lässt. Das ergibt eine ganz wunderbare, rund 66-minütige Reise durch das „Stil-Leben“ eines Komponisten und eignet sich somit nicht nur für Kenner der Musik Arvo Pärts (die auf der vorliegenden CD vor allem die selten eingespielten Frühwerke begeistern werden), sondern vor allem auch für Einsteiger in das Werk des Esten. Die Interpretationen sind samt und sonders gut. Aber Ralph van Raat scheint mir noch eine Spur zu sehr „pianistisch“ an die Sache heranzugehen, denn Pärts Musik setzt nun einmal zu weiten Teilen auf die völlige Zurücknahme des eigenen Personalstils des Interpreten zugunsten purer, quasi emotionslos vorgetragener Klänge, die durch strikte Pedalanweisungen den Effekt bekommen, als würden sie „endlos im Raum stehen“ und nie verhallen. Um diese „Purheit“ des Klangs bemüht sich Ralph van Raat hörbar, doch genau das ist eben auch das Problem: Es ist bemüht, und es ist hörbar. Alle Aufnahmen klingen vorzüglich und reihen sich in die besseren (Soloklavierstücke) und besten (Orchesterstück) Klangergebnisse aus dem Hause Naxos ein. |
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