Geld Macht MusikDie "Fugger-Charts"von Rainer Aschemeier • 22. August 2011
Es ist schon komisch: Wir, die wir heute Musik hören, können uns tagtäglich mit den größten Werken der europäischen oder gar globalen Musikliteratur umgeben. Wir schwimmen förmlich in Gesamtaufnahmen von Beethoven-Sinfonien, Bach-Kantaten und Mozart-Klavierkonzerten. Diese Kronjuwelen der Musikgeschichte sind so in unsere tagtägliche Musikrezeption eingegangen, dass wir kaum noch auf ihre funkelnde Pracht achten. Unter dem witzigen Titel „Geld Macht Musik“ sind ♭FIVE tief in die Archive der Fugger’schen Musiksammlung abgetaucht. Diese reiche Kaufmannsfamilie war finanziell problemlos in der Lage, Kopistenaufträge zu vergeben, die im Prinzip den Wunsch beinhalteten, von Zeit zu Zeit ein Notenalbum mit den „Best of“ der Kompositionen aus ganz Europa zusammengestellt zu bekommen. Diese Kompositionen — welch ein Luxus! — konnten sich die Fugger dann von einer eigenen Kapelle vorspielen lassen. Alles in allem erinnert das durchaus schon an unsere heutige Zeit, nur mit dem Unterschied, dass heutzutage ein jeder von uns in der Lage ist, sich eine Musiksammlung nach Lust und Laune zusammenzustellen und sich per CD die Berliner Philharmoniker oder ein anderes Orchester der Wahl „ins Wohnzimmer“ zu holen. Allein aus diesem Aspekt betrachtet ist es schon spannend zu hören, was die Fugger zu ihrer Zeit so gemocht haben. Da gibt es galante Tänze, fröhliche Gassenhauer, kunstvolle Kontrapunktik und Lieder mit eindeutig zweideutigen Texten. Bei Letzteren werden ♭FIVE von Tenor Johannes Weiss unterstützt, der an der Mannheimer Universität historische Aufführungspraxis unterrichtet und über eine bemerkenswert warme, natürliche und schöne Tenorstimme verfügt, die insgesamt hervorragend mit dem vollen und ebenfalls sehr warmen Ensembleklang von ♭FIVE harmoniert. Überhaupt muss man hier mal eines sagen: Es gibt einige Aufnahmen von Blockflötenmusik, bei denen man das Schreien bekommen kann. Diese CD gehört definitiv nicht dazu. Sie ist vielmehr ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie homogen, sanft und „aus einem Guss“ ein Blockflötenconsort klingen kann. Fazit: Selbst, wenn Ihr bislang noch nie selbst auf die Idee gekommen seid, Euch knapp 60 Minuten Blockflötenmusik aus der Renaissance zu geben: Dieses Album ist es wert, dass es gehört wird, verschenkt wird, verbreitet wird! Es ist die Sorte Schatzkästlein, die wir in unserer von Kronjuwelen überfluteten Musikwelt gerade wieder wegen ihrer Unaufdringlichkeit, Innigkeit und Zurückgenommenheit schätzen lernen können. Und das thematische Programm der CD, zusätzlich unterstützt durch einen sehr informativen Booklettext von ♭FIVE-Mitglied Markus Bartholomé, ist so reizvoll, dass man sich direkt und unmittelbar mehr davon wünscht — vielleicht sogar ein ganzes Sachbuch, dass sich der Thematik näher widmet? Die Fugger und die Musik — dieser Themenkreis ist jedenfalls noch lange nicht erschöpft. |
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