Robert Schumann - Sinfonien (Gesamteinspielung)Träger, teils martialischer Schumann für die Masse, doch ohne Klassevon Rainer Aschemeier • 20. August 2011
EMI Classics veröffentlicht in diesen Tagen eine CD-Box nach der anderen mit den im Archiv dieses Labels befindlichen Aufnahmen des italienischen Dirigenten Riccardo Muti. Ohne auf dessen Karriere-Hochs und -Tiefs zu achten, wird nahezu alles wieder ans Tageslicht gezerrt, was im Dunkel des EMI-Archivs zu finden war. Auf diese Weise kommt nunmehr auch die Gesamteinspielung der Sinfonien Robert Schumanns wieder zu neuen Ehren, die Riccardo Muti einst mit dem Philharmonia Orchestra zum Besten gegeben hatte und die bestimmt schon dreimal in unterschiedlichen CD-Editionen wiederverwertet wurde. Das lange Überleben dieser Einspielung ist eigentlich ganz erstaunlich, denn diese Aufnahmen aus der Zeit zwischen 1976 bis 1978 zählen völlig offensichtlich leider weder zu den Höhepunkten des einstigen EMI-Hausorchesters noch zu denen des italienischen Pultstars. In oft ziemlich langsamen, tragenden Tempi deutet Muti Schumanns Sinfonien-Œuvre als eine dauerhaft schwülstig-romantische Gefühlsduselei. Wie stark Schumanns Musik jedoch von einer stärker ins Klassizistische gehenden Interpretation profitieren kann, zeigte in den 1990er-Jahren unter anderem die hervorragende Einspielung dieser Werke durch die Academy of St.-Martin-in-the-Fields unter der Leitung von Sir Neville Marriner, der vor allem die dritte, „Rheinische“ Sinfonie von allzu viel Pathos und weinstubenseliger Angestaubtheit befreite. Er zeigte, was für ein leichtfüßiges, großes Werk sich hinter der jahrzehntelang wie durch Butzenfenster wahrgenommenen „Rheinischen“ eigentlich verbarg. Muti ist von dieser Leichtfüßigkeit bei seiner hier nun wiederveröffentlichten Deutung dieses Werks leider so weit entfernt, wie es nur geht. Selbst die „Frühlingssinfonie“ steht bei ihm als ein teutonisches Bollwerk da und weniger als das grazile Lustschloss auf dem Lande, zu dem es Marriner mit seiner Academy machte. Das als mit Tanzrhythmen und -melodien durchzogene Scherzo aus dieser Sinfonie, das immerhin mit der Tempobezeichnung „molto vivace“ versehen ist, nimmt Muti zum Anlass um daraus höchstens ein noch ziemlich plumpes Allegro zu generieren, das weniger zum Tanz einlädt als vielmehr zur Militärparade (so hört sich das Eröffnungsthema dieses Satzes in Mutis Lesart jedenfalls an). Die Tontechniker von EMI haben dies auch noch unterstützt, indem sie vor allem Blechbläser und Pauken klangtechnisch stärker ins Zentrum des Geschehens gestellt haben, als es eigentlich nötig gewesen wäre. Das mag allerdings auch an den immer wieder offensichtlich zutage tretenden Schwächen der Violinen des Philharmonia Orchestra liegen, das zumindest bei der Darbietung der dritten und vierten Sinfonie in diesem Zyklus nicht unbedingt eine Sternstunde gehabt zu haben scheint. Fazit: Diese Gesamtedition kann man sich zwar noch ganz gut anhören, wenn man nichts anderes zur Hand hat. Aber Mutis Interpretation aus den 1970er-Jahren ist einfach langweilig und schwerfällig. Man muss sich das heutzutage nicht mehr geben und hat ja glücklicherweise eine breite Auswahl guter Alternativen. |
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