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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

W. A. Mozart - Divertimenti für drei Bassetthörner + Harmoniemusik aus "Le Nozze di Figaro"
Stadler Trio

(2011/1997)
Glossa / note 1

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Wolfgang Amadeus Mozart - Divertimenti für drei Bassetthörner & Harmoniemusik aus "Le Nozze di Figaro"

Reizvolle Wiederveröffentlichung einer Referenzaufnahme

von Rainer Aschemeier  •  25. Juli 2011
Best.-Nr.: GCD c80602 / EAN: 8424562806023

Ein ganz besonderes Kleinod der Musikgeschichte hat die vorliegende Wiederveröffentlichung des spanischen Labels Glossa zum Inhalt. Selten genug lässt sich Kammermusik für drei gleiche Instrumente finden, noch mehr Seltenheitswert hat das Repertoire, wenn es für drei Instrumente gesetzt wurde, die heute höchstens noch Exotenstatus besitzen.
Wahrscheinlich wären deswegen Wolfgang Amadeus Mozarts Divertimenti für drei Bassetthörner auch schon längst in der großen Klamottenkiste der vergessenen Musikliteratur verschollen, wenn, ja wenn Sie eben nicht von Wolfgang Amadeus Mozart wären.
Und so kennt man ja manche Beispiele aus der Musikgeschichte, bei denen ein mittlerweile gänzlich überkommenes Instrument nur noch deswegen gelegentlich im Konzert ausgepackt wird, weil ein Genie es sich in den Kopf gesetzt hatte, ausgerechnet für dieses Relikt der Geschichte des Instrumentenbaus ein Konzert, eine Sonate oder irgendeine andere Komposition zu schreiben: Haydn griff für Fürst Esterhazy zum Baryton, Beethoven schrieb ganz wunderbare Miniaturen für die Mandoline, Schuberts Experimentierfreudigkeit verdanken wir die einzige überlieferte Sonate für den Arpeggione (eine Art Mixtur aus Gitarre und Cello), und Johann Georg Albrechtsberger schrieb gar eine Hand voll ganz herrlicher Konzerte für Maultrommel und Mandora.

Albert Gumí, der ebenfalls auf der vorliegenden CD des Stadler-Trios als Solist zu hören ist, präsentiert auf diesem Foto ein modernes Bassetthorn (links) und ein historisches, restauriertes Instrument aus Mozarts bzw. Stadlers Zeiten (rechts). Bildquelle: http://www.stadlertrio.com/


In diesem Kontext also sehen wir heute auch Mozarts Divertimenti für Bassetthörner; und ähnlich wie etwa im Falle der Arpeggione-Sonate von Schubert hört man die Bassetthorntrios von Mozart praktisch nie in der Besetzung, für die sie einst geschrieben wurden. Wie schade das ist, und wie viel einem entgeht, wenn man die Stücke stattdessen (wie zumeist üblich) in einer Besetzung aus zwei Klarinetten und einem Fagott hört, zeigte erstmals die hier vorliegende, ganz großartige Aufnahme des Stadler-Trios im Jahr 1997. Nur aufgrund eines musikwissenschaftlichen Sensationsfunds war es Mitte der Neunzigerjahre überhaupt möglich gewesen, Mozarts Divertimenti für drei Bassetthörner auch tatsächlich den verlangten drei Bassetthörnern überantworten zu können. Bis zu jenem Zeitpunkt wusste man zwar, dass Mozart diese Stücke für drei dieser putzig aussehenden, eckig geknickt und irgendwie auch sonst sehr unförmig wirkenden Holzblasinstrumente verfasst hatte, man hatte jedoch keinerlei Autograph zur Hand sondern lediglich gedruckte Ausgaben für zwei Klarinetten und Fagott oder alternativ für zwei Bassetthörner und Fagott. Erst durch den Fund einer Abschrift in der Fassung für drei Bassetthörner, die (wie zu erwarten war) viele eigenständige Charakteristika des Bassetthorns, das einen besonders großen Tonumfang nach „unten“ aufweist, voll ausnutzte, wurde dann die hier vorliegende Einspielung überhaupt erst möglich.

Das Stadler-Trio — benannt übrigens nach Mozarts Lieblingsklarinettisten Anton Stadler, der nachweislich auch Bassetthornvirtuose war — konnte damit die Weltersteinspielung der Bassetthorndivertimenti in der Fassung für drei Bassetthörner von Wolfgang Amadeus Mozart für sich verbuchen. Was für eine tolle Sache für die Musiker!
Diese, sich der Ehre ihres Unternehmens offenbar bewusst, haben damals eine absolut makellose Einspielung für die Ewigkeit abgeliefert, die von den Tonmeistern des Glossa-Labels in kongenialer Weise mit einem zeitlosen Spitzensound unterstützt wurde, der auch heute noch nichts von seiner Räumlichkeit, seinem herrlichen Tiefgang und seinem „sahnigen Schmelz“ verloren hat. So kommt es, dass die hier vorliegende Aufnahme nach wie vor die Referenz ist, wenn es um die Mozart’schen Bassetthorntrios geht.
Unterstützt und komplettiert wird das Ganze noch durch einen absolut vorbildlichen, hochgradig informativen, angenehm lesbaren und gut ins Deutsche übertragenen Booklet-Text, von dem sich so manches Mitbewerber-Label mal eine Scheibe abschneiden könnte.

Es gibt eigentlich nur zwei Punkte, die ich abschließend kritisch anmerken möchte. Erstens finde ich die Begründung, die im Booklet dargeboten wird, aus welchem Grund man hier nicht gleich das vollständige Bassetthorn-Œuvre Mozarts eingespielt hat, etwas fadenscheinig und ganz und gar nicht nachvollziehbar. Doch damit muss man eben (und kann man auch ganz gut) leben.
Zweitens kommt die CD (wie alle CDs aus der Reihe „Glossa cabinet“) in einem äußerst unpraktischen Format daher, das sich mit seinen ungewöhnlichen Bemaßungen gegen jede Art von CD-Ständer oder -Regal tapfer und nervtötend zur Wehr setzt, sodass man als Musikfreund quasi keine andere Wahl hat, als die CD irgendwo lose im Schrank herumliegen zu lassen.

Ansonsten ist diese Wiederveröffentlichung eine der erfreulichsten des laufenden Jahres und heute ebenso wie zum Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung eine glasklare Kaufempfehlung!

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt.))

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