E. v. Dohnányi & K. Penderecki - Sextette (2011)
• • • • E. v. Dohnányi - Sextett op. 37 & K. Penderecki - Sextett für Klarinette, Horn, Streichtrio und KlavierRare Sextette für Entdeckervon Rainer Aschemeier • 22. Juli 2011
Ein sehr spannendes Programm serviert uns die belgische Kammermusikformation „Ensemble Kheops“ auf ihrer neuesten CD, die beim französischen Label „Fuga Libera“ erscheint. Es werden hier nämlich zwei Hauptvertreter der osteuropäischen Moderne einander gegenübergestellt, von denen der eine (Ernő von Dohnányi) ein weitgehend vergessenes „Überbleibsel“ modern angestrichener Spätromantik der Jahrhundertwende darstellt, während der andere (Krzysztof Penderecki) ein mittlerweile gemäßigter Ex-Avantgardist und einer der bekanntesten Komponisten unserer Zeit ist. Das Ergebnis ist eine hochgradig unterhaltsame Sache. Der ungarischstämmige Komponist Ernő von Dohnányi (1877-1960) ist der Stammvater einer Musikerfamilie, die bis heute noch in Form des Dirigenten von Christoph von Dohnányi (Bruder des Politikers Klaus von Dohnányi) von sich reden macht. Sein Sextett für Klavier, Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn op. 37 entstand Mitte der 1930er-Jahre, hört sich aber — wie so Vieles, was Dohnányi schrieb — wie ein Stück aus dem Fin de siècle an. Gewisse Parallelen sehe ich zum Beispiel zu der wunderschönen „Sinfonia da camera“ von Ermanno Wolf-Ferrari aus dem Jahr 1901, die zwar für elf Spieler gesetzt ist, aber stilistisch durchaus Ähnlichkeiten zu Dohnányis Sextett aufweist. Manchmal meint man auch zaghafte Anklänge an Schostakowitschs Kammermusik zu hören, doch das muss wohl als eine Art „Dejá-vu-Effekt“ gewertet werden, denn Schostakowitsch hat ja den Großteil seiner Kammermusik erst ab 1938 zu schreiben begonnen. Interessanterweise hat der polnische Komponist Krzysztof Penderecki (*1933) sich für sein Sextett (eine Auftragskomposition des Wiener Musikvereins aus dem Jahr 2000) ebenfalls für diese ungewöhnliche Mischung entschieden. Bei seinem Stück, dass stilistisch als typisch für Pendereckis gemäßigten Spätstil gelten kann, stehen sich Bläser und Streicher stärker gegenüber als in Dohnányis Komposition, in der sie eher ein „Miteinander“ bilden. Der Kontrast zwischen beiden Stücken ist groß, jedoch nicht so groß, als das die Dohnányi-Hörer vom Penderecki-Stück vergrätzt würden oder umgekehrt. Auch etwas schade finde ich, dass bei dem an sich sehr guten Aufnahmeklang (hervorragend aufgelöst, schön ortbar, sehr charakteristisch die Instrumente eingefangen, nicht zu hallig) wie mit dem Lineal gezogen ein „Strich“ unter die tiefen Mitten gezogen wurde, sodass tiefe Bassfrequenzen praktisch nicht vorkommen. Dabei ist gerade beim Dohnanyi das Klavier ständig auch in den unteren und untersten Registern aktiv, und wer einmal bei einer Livedarbietung in der Nähe des Klaviers saß, weiß, wie das in der Magengrube „wummern“ kann. Bei dieser Aufnahme ist davon keine Spur zu hören, was auch dem klanglichen Gesamteindruck der Einspielung einiges an Reiz nimmt, denn sowohl Klavier als auch Cello (manchmal auch tiefe Töne des Horns) wirken einfach zu flach — das Bassfundament fehlt. Auch hier steht also als Fazit ein „Schade!“. Bleibt abschließend die Feststellung, dass immerhin das Ensemble Kheops seine Sache wirklich gut macht. Wenngleich es Kammermusikensembles (wie etwa das Berliner Scharoun Ensemble) gibt, deren Zusammenspiel noch besser ist, zählt das, was die Belgier hier zu bieten haben, eindeutig zur professionellen Spitzenklasse und hat weder Fehl noch Tadel. Gerade deswegen jedoch ist das klangliche Defizit der vorliegenden Aufnahme bedauerlich. Alles in allem haben wir hier eine sehr empfehlenswerte CD mit äußerst reizvollem und (viel zu) selten zu hörendem Repertoire. Musikalische Entdeckernaturen mit Hang zu Spätromantik und gemäßigter Moderne werden an dieser Einspielung ihre helle Freude haben. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt)). |
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