C. P. Stamitz & F. A. Hoffmeister - Violakonzerte (2011)
• • • C. P. Stamitz & F. A. Hoffmeister - ViolakonzerteRaritäten aus Mannheimer Schule und Wiener Klassik in wenig aufregenden Darbietungenvon Rainer Aschemeier • 20. Juli 2011
Vor einigen Jahren hatten wir an dieser Stelle mal eine CD mit Werken von Johann Stamitz, dem Mozart-Freund und Leiter der Mannheimer Hofkapelle, besprochen (http://www.incoda.de/listener/reviews/86/johann-stamitz-klarinettenkonzert-b-dur-symphonie-g-dur-symphonie-op-4-nr-2-symphonie-op-3-nr-2). Nun haben wir es mit einem Bratschenkonzert von dessen Sohn Carl Philipp zu tun. Hinzu kommen außerdem noch zwei Konzerte von Franz Anton Hoffmeister, den das kollektive Musikgedächtnis vor allem als Verleger abgespeichert hat, obwohl er auch als Komponist eine reiche Werkpalette aufzuweisen hat und zu seiner Zeit zu den namhaftesten Musikern im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts zählte — also zu einer Zeit, in der diese Stadt vor Genies nur so wimmelte. Das eigentlich Besondere an dieser neuen Naxos-CD ist jedoch die Tatsache, dass hier Bratschenkonzerte aus der Mannheimer Schule und der Wiener Klassik erklingen, Konzerte für ein Instrument also, dass damals wie heute nur selten als Soloinstrument eingesetzt wird. In der Wiener Klassik muss es allerdings noch deutlich seltener als heute vorgekommen sein, dass die Viola solistisch zum Einsatz kam. Dies wird auch deutlich durch die sehr lückenhafte Quellensituation, die den hier eingespielten Stücken zugrunde liegt. Viola-Solistin Victoria Chiang spielt, wie man auf diesem Foto sieht, eine Bratsche mit großem Korpus. Dies verleiht ihrem Sound ein hohes Maß an Wärme und Tiefe. Bildquelle: www.victoriachiang.com/about.htm Wenn ich so etwas lese, stockt mir regelmäßig der Atem. Zum einen finde ich es zwar ungemein spannend, dass aus solch musikgeschichtlichem Stückgut schlussendlich tatsächlich Musik wird, die wir heute wieder hören können; zum anderen frage ich mich aber auch, wie viel von der Musik, die wir da nun hören, denn nun überhaupt noch „echt“ ist und wie viel eventuell später noch „dazu restauriert“ wurde. Wie dem auch sei: Wenn das Endergebnis so reizend ausfällt, wie im Fall der hier zum Erklingen gebrachten drei Bratschenkonzerte, ist man als Hörer gern bereit an das Gute im Musikwissenschaftler zu glauben. Insbesondere das Stamitz-Konzert (Violakonzert Nr. 1 in D-Dur) schöpft aus dem ganzen Reichtum der seinerzeit in voller Blüte befindlichen Mannheimer Schule und wirkt nicht nur schwungvoll und melodienreich, sondern in seinen besten Momenten auch von einiger Noblesse und Größe. Da hebt man beim Hören wirklich die Augenbrauen, denn Stamitz hat mit diesem Konzert ein wahrhaftig eindrucksvolles Werk geschaffen, das sich vor den Stücken prominenterer Zeitgenossen nicht verstecken muss. Leider haben wir hier aber eine CD, bei der diese interessante Programmzusammenstellung keine Resonanz in einer adäquat qualitätvollen Interpretation findet. Das Baltimore Chamber Orchestra, das auf modernen Instrumenten musiziert und in Sachen historischer Aufführungspraxis auf mich einen nicht so arg „informierten“ Eindruck macht, wirkt oftmals schwerfällig und etwas klobig; so als hätte es irgendwie große Mühe, die Leichtfüßigkeit und Heiterkeit dieser Musik zu vermitteln. Interessanterweise ist dies auch das Kernproblem der Solistin Victoria Chiang, bei deren Spiel einem zudem recht häufig offenkundige technische Unzulänglichkeiten unangenehm auffallen. So verschleppt sie gleich bei ihrem ersten Einsatz im ersten Satz des Stamitz-Konzerts drastisch das Tempo — ein Problem, das sich anschließend leider wie ein roter Faden durch die gesamte CD zieht. Bei den anspruchsvolleren Läufen des Soloparts im Stamitz-Konzert wirkt Chiang den musikalischen Herausforderungen nicht immer gewachsen, intoniert öfters ungenau oder greift für professionelle Verhältnisse auch mal derb daneben. Beim den Hoffmeister-Konzerten „kiekst“ hin und wieder ihre Bratsche, vermutlich aufgrund einer nicht ganz sauberen Bogenführung. Zwar ist ihr Ton tatsächlich „wonderfully deep and communicative“, wie es der Booklet-Text anpreist, doch kann dies die technischen Schwächen ihrer Darbietung nicht verschleiern. Schaut man dann noch auf den Markt verfügbarer Konkurrenzprodukte, so merkt man, dass die eingespielten Stücke zwar musikgeschichtliche Raritäten sein mögen, jedoch bislang gar nicht mal soooo selten auf CD aufgenommen worden sind. Vor allem in puncto Hoffmeister steht bei Oehms eine sicherlich erheblich bessere Einspielung beider Violakonzerte des Lissabonner Gulbenkian Orchestra unter der Leitung des „Alte Musik“-Spezialisten Christopher Hogwood in den Startblöcken, die es einem schwer macht, eine Lanze für die hier besprochene neue Naxos-Aufnahme brechen zu wollen. Auch der Aufnahmesound dieser Neuerscheinung bleibt eher matt und gesichtslos und stellt in meinen Ohren den Prototyp mittelmäßiger Tonmeisterarbeit dar. Das tut zwar niemandem wirklich weh, weiß aber auch beileibe nicht zu begeistern. ((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise von der Firma Naxos zur Verfügung gestellt.)) |
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