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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Live at Donington 1990
Whitesnake

(2011)
Frontiers Records

• • •

Whitesnake - Live at Donington 1990

Flashback aus der "aphonen Phase"

von Rainer Aschemeier  •  18. Juli 2011
Best.-Nr.: FR CDVD 516 / EAN: 8024391051641

Man muss schon ziemlich viel Chuzpe haben, um in einem Jahr gleich zwei Whitesnake-Alben auf den Markt zu werfen, doch das italienische Frontiers-Label macht exakt das. Neben dem höchst mittelmäßigen neuen Opus „Forevermore“, das im Frühjahr erschien (vgl. http://www.incoda.de/listener/reviews/177/whitesnake-forevermore), legen die Jungs von Frontiers records pünktlich zum Start der Whitesnake-Europatour noch ein Doppellivealbum drauf. Ob das Zufall ist?
Während die Amerikaner David Coverdale seit dem Album „Slide it In“ ja förmlich aus der Hand fressen und die Hallen stürmen, egal, wie gerade der neue Longplayer ausfällt, ist das europäische Publikum da schon etwas skeptischer und muss vielleicht mit dem nötigen Quentchen Live-Futter in Stimmung gebracht werden.

Doch ob man das ausgerechnet mit einem Mitschnitt des Donington-Gigs von 1990 schafft, darf doch eher bezweifelt werden. Whitesnake befanden sich damals in der äußerst kurzlebigen Phase, in der neben dem Niederländer Adrian Vandenberg niemand Geringeres als Gitarrengott Steve Vai in die Saiten griff. Letzterer sollte später zu Protokoll geben, er habe den Job vor allem wegen der guten Bezahlung „wunschgemäß erledigt“. Das damalige Whitesnake-Album „Slip of the Tongue“ war zwar gar nicht mal schlecht, aber unter kommerziellen Gesichtspunkten und insbesondere im Hinblick auf den sensationell erfolgreichen Vorgänger „1987“ (Acht Millionen verkaufte Exemplare!) eher eine Enttäuschung. Alte Whitesnake-Fans, die die Band noch als Bluesrock-Outfit kannten, waren anno 1990 eh schon vergrätzt und mussten zähneknirschend akzeptieren, dass sich ihre Heroes nun vollends zu einem Hair-Metal-Act gewandelt hatten.

All dies sollte einen ja aber nicht daran hindern, ein Livealbum aus dieser Zeit gut zu finden. Doch gerade die 1990er-Whitesnake-Tournee ist denen, die die Zeit miterlebt haben, noch gut als jene (wie formulierte einst die Zeitschrifft „Metal Attack“...) „aphone Phase“ David Coverdales in Erinnerung, in der der Sänger noch mehr als hörbar an einer Kehlkopfoperation von Ende der 1980er laborierte und daher deutlich unter seinen Möglichkeiten „sang“, beziehungsweise im Falle von Songs wie „Slip Of The Tongue“ und „Still of the Night“ möchte man eher sagen „krächzte“. Kein Wunder, dass Coverdale schon bald nach dieser Tour seine Band auf Eis legte.
...vermutlich, um 24 Stunden täglich warme Milch mit Honig zu trinken, denn anno 1993 erschien Coverdales bislang einziges Album mit Jimmy Page, auf dem der Sänger schon wieder ziemlich gut bei Stimme war.

„Live at Donington 1990“ bietet einen verdammt harten Konzertmitschnitt einer seinerzeit vollkommen durchamerikanisierten und nicht immer geschmackssicheren Rockband, die ihren kreativen, qualitativen und kommerziellen Zenit bereits überschritten hatte. Das Album ist deckungsgleich mit einem lange Zeit unter Fans gehandelten Bootleg gleichen Namens und klingt auch nur unwesentlich besser als dieses; offenbar ist schon die Qualität des Ausgangsmaterials sehr stark komprimiert, sodass das typische Soundkompressor-“Pumpen“ einen immens störenden Bestandteil des Gesamtsounds darstellt. Zudem dudeln die Gitarrenhelden Vandenberg und Vai dermaßen ungestüm, dass man zum Beispiel bei „Is This Love“ eher den Eindruck hat, es mit einem fünfminütigen Gitarrensolo zu tun zu haben als mit einer soften Rockballade.

Richtig bitter ist das dann beim Klassiker „Ain’t No Love (In The Heart Of The City)“, bei dem sowohl Coverdales schlechte Stimmverfassung als auch das weitgehend uninspirierte nebeneinander her Spielen von Vandenberg und Vai nicht mehr zu verbergen (und im Übrigen auch nur noch schwer auszuhalten) sind.

Fazit: Es gibt (deutlich) bessere Liveplatten von Whitesnake, wozu ich nicht zuletzt die erst 2006 in bereits neuer Besetzung erschienene Scheibe „Live… In The Shadow Of The Blues“ zählen möchte. Nett ist immerhin, dass es die CD mit dem Konzert aus Donington auch als „Special Edition“ mit DVD gibt.
Wer der Frühneunzigerinkarnation von „Whitesnake“ also noch immer hinterhertrauert (gibt’s solche Leute?), hat in „Live at Donington“ ein Trostpflaster; mehr gibt das Livealbum aber nicht her. Dazu ist der Sound schlicht zu schlecht und die Bandleistung ist zu mittelmäßig. Trotzdem ist das Ganze noch besser hörbar, als die beiden letzten Studioalben, denn hier stimmt immerhin das Wichtigste: Die Songs!

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