R. Vaughan Williams - Sinfonien Nr. 5 & 6 (2011/1990)
• • • • Ralph Vaughan Williams - Sinfonien Nr. 5 + 6Das CD gewordene Glück des Jägers und Sammlersvon Rainer Aschemeier • 14. Juni 2011
Zwar mag sich die Welt seit der Steinzeit ungeheuerlich entwickelt haben, doch der „Sammler und Jäger“ in uns existiert weiter im Genom und führt dazu, dass sich erwachsene Menschen (meistens Männer) auf CD- und Schallplattenbörsen mit gesenkten Häuptern in Kisten vertiefen und nach dem „Erlegen“ einer lang gejagten Beute nicht selten in spontane Freudentänze ausbrechen. Seit der Erfindung des ziemlich sinnlosen Claims „digitally remastered“ (schließlich musste auch in den Achtzigerjahren schon jede CD digital gemastert werden, damit sie einmal eine CD werden konnte) sieht man diese illustren Gestalten irgendwie seltener auf Börsen, denn wir schwelgen heutzutage in einem nie dagewesenem Überfluss. Es muss festgestellt werden: Beinahe alles, was das Herz des CD-Sammlers im Bereich der klassischen Musik begehrt, ist derzeit auch auch lieferbar. Im Bereich der klassischen Musik haben Labels wie Deutsche Grammophon, EMI, DECCA, Philips und Co. auch schon vor längerer Zeit ausschweifende Remaster-Serien auf den Markt geworfen, sodass man sich echt fragt, was denn der Jäger im Sammler überhaupt noch jagen soll!? Wie dem auch sei, es gab (und gibt) noch immer eine kleine, feine Nische, in der sich das Jagen noch lohnt: Beim Jagdrevier handelt es sich um die vielen kleinen und kleinsten pleite gegangenen Klassiklabels der 1980er- und 1990er-Jahre, die ihre CDs oft nur in geringen Auflagen pressten und schneller wieder vom Markt verschwunden waren, als man gucken konnte. Mir fallen da zum Beispiel Namen wie Conifer Classics, Music Masters oder eben auch Collins Classics ein. Letztgenanntes Label war eine britische Firma, die 1989 erstmals mit ihren CD-Produktionen auf dem Markt auftauchte und 1998 ihre Pforten schon wieder schließen musste — also sogar noch vor der großen „Download-Krise“, die nach der Jahrhundertwende die Independent-Labels massenweise einknicken ließ. Collins Classics konzentrierte sich zwar nicht nur, aber doch zu einem Gutteil, auf britisches Repertoire und schickte zumeist auch englische Künstler und Orchester ins Rennen. Unter den Labels seiner Zeit blieb Collins Classics relativ gesichtslos, hatte aber doch zumindest eine Handvoll spannender Aufnahmen in seinem Katalog. Dazu gehörten insgesamt drei CDs mit Musik von Ralph Vaughan Williams von der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter der Leitung ihres Gründers Sir Neville Marriner. Wer die fabelhaften DECCA-Aufnahmen (bzw. erschienen die Einspielungen damals unter den Imprints „argo“ und „London“) der Academy mit Vaughan Williams-Werken kennt, dürfte seinerzeit keine Zeit und kein Geld gescheut haben, um sich die Marriner-Einspielung der 5. und 6. Sinfonie des britischen Sinfonikers auf Collins Classics zu sichern. 2011 erschien diese Aufnahme nun überraschend im Rahmen einer Rerelease-Reihe von ehemaligen Collins Classics-Veröffentlichungen, die von einem ominösen Label namens „Retrospective Records“ bzw. „Retrospective Revival“ auf den Markt geworfen werden. Zwar verrät das die Plattenfirma auf ihrer website mit keinem Sterbenswörtchen, jedoch ist es ganz interessant zu sehen, dass die postalische Adresse des Labels deckungsgleich mit der Adresse des britischen Klassik-Independents „Nimbus records“ ist. Wir ziehen unsere Schlüsse daraus… Wie dem auch sei: Es ist schön, dass diese rare und sehr gesuchte CD nun wieder regulär verfügbar ist. Es steht zu befürchten, dass das nicht lange so bleiben wird, also steht für den Jäger und Sammler die Frage im Raum: Soll ich zugreifen? Doch leider kommt es technisch mangelhaft: Die CD-Neuveröffentlichung von Retrospective Records enthält einen hässlichen Pressfehler bei Minute 6:24 von Track 8 (= Epilog der sechsten Sinfonie), in der Form, dass die Musik für zwei Sekunden komplett aussetzt. Das ist sehr ärgerlich! Nichtsdestotrotz haben wir hier die beste verfügbare Aufnahme von Vaughan Williams‘ 5. und 6. Sinfonie. Der Sound ist immerhin gutklassig, sodass ich mich dazu durchringen könnte, die Höchstwertung von fünf Punkten zu verteilen, wäre da nicht der abscheuliche Pressfehler, der leider zu einem Punkt Abzug führen muss. |
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