Beethoven - Septett op. 20 & Sextett op. 71Eine Referenzaufnahme (fast) ohne Makelvon Rainer Aschemeier • 23. Mai 2011 Beethovens Kammermusik ist sicherlich eines der bekanntesten Kammermusikœuvres, wenn nicht das bekannteste überhaupt. Dennoch gibt es auch hier Unterschiede im Grad der Popularität der Stücke. Während die Einspielungen der Streichquartette und Sonaten für unterschiedliche Besetzungen des gebürtigen Bonners geradezu Legion sind, führen andere Kammermusikwerke Beethovens vergleichsweise ein Schattendasein, wenngleich es auch von ihnen immer wenigstens ein paar Tonträgeraufnahmen gibt. Das Scharoun-Ensemble, bestehend aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker, welche in der von Architekt Hans Scharoun entworfenen Berliner Philharmonie musizieren dürfen, hat nun eine neue Aufnahme von zwei der etwas seltener zu hörenden Kammermusikwerke Beethovens vorgelegt. Es handelt sich dabei um das ausgesprochen heitere Septett op. 20 sowie um das von vielen als „konventionell“ abgeurteilte Sextett op. 71. Die Opuszahlen täuschen: Das Sextett ist eigentlich das frühere Stück, ging jedoch später in Druck als op. 20. Beethoven selbst schickte es einst zusammen mit seiner ersten Sinfonie und einem markigen Kommentar an seinen Verleger Breitkopf, der es dankbar aufgriff. Das serenadenartige, rund vierzigminütige Septett weist eine ungewöhnliche Besetzung auf (Violine, Viola, Cello, Kontrabass, Klarinette, Horn und Fagott), weswegen es wohl bis heute eher selten aufgeführt und auf CD aufgenommen wird, denn ebenso selten, wie sich diese Besetzung in Musikstücken findet, findet man Ensembles, die diese Besetzung wiedergeben können. Die Musikwissenschaft hat lange gerätselt, was Beethoven zu diesem Stück in dieser Besetzung angestachelt haben könnte. Mittlerweile gilt als sicher (auch wegen der Widmung des Stücks an Kaiserin Maria Theresia), dass es wohl ein Auftragswerks der Kaiserin höchstselbst gewesen sein muss. Diese „sammelte“ Septette verschiedener Komponisten und hatte unter anderem bereits Aufträge an Ignaz Schweigl und Joseph Weigl vergeben. Der österreichische Komponist Joseph Weigl (1766—1846) war ein Patenkind Joseph Haydns. Wie Beethoven studierte er bei Johann Georg Albrechtsberger. Bildquelle: wikicommons. Beethovens Septett hat auffallende strukturelle Ähnlichkeiten mit denen Weigls, die dieser für die Kaiserin bereits komponiert und abgeliefert hatte. Diese aufschlussreiche Information findet sich jedoch leider nicht im Booklet der CD, das zwar eine solide Werkeinführung bietet, aber in Sachen des „warum“ nur wenig Erhellendes anführt (Beethoven in der Nachfolge Mozarts… etc. etc., tausendmal gehört). Immerhin weist das Booklet auf Beethovens eigene Umarbeitung des Stücks als späteres Klaviertrio op. 38 hin, was zeigt, dass der Komponist das Sepett selbst sehr geschätzt haben muss, evtl. aber schon damals mit wenigen Aufführungen aufgrund der ungewöhnlichen Besetzung rechnen musste. Das Sextett ist deutlich kürzer und auf den ersten Blick in der Tat auch „konventioneller“ als das Septett. In nur knappen 20 Minuten eröffnet Beethoven eine verhältnismäßig übliche Sonatenstruktur mit Sonatenhauptsatz samt langsamer Eröffnung, langsamem Adagio, Menuett mit Trioteil und abschließendem Rondo; eigentlich also alles wie aus dem Lehrbuch. Erst bei näherer Betrachtung erschließen sich kleine „Feinheiten“ des Stücks, so etwa eine „versteckte“ Dreiteilung des oberflächlich betrachtet klassisch fünfteilig angelegten Rondos. Stichwort „andere Aufnahmen“: Im Rahmen eines Interpretationsvergleichs ließ ich das Scharoun-Ensemble in Sachen Sextett gegen Aufnahmen von Mozzafiato (Sony Classics) und Otetto Italiano (Arts Music) antreten und schickte die Berliner in Sachen Septett gegen das Academy of St. Martin-in-the-Fields Chamber Ensemble (chandos) sowie eine Kammerbesetzung des Tonhalle Orchesters Zürich (Arte Nova) ins Feld. In allen Fällen waren die Leistungen des Scharoun-Ensembles nicht einfach nur etwas besser, sondern zum Teil geradezu überragen überlegen, wobei man bzgl. des Sextetts natürlich den angewendeten „klanglichen Kniff“ mit dem Kontrabass nicht außer Acht lassen sollte. Wie immer kommt zum Schluss noch eine Bemerkung zum Aufnahmeklang. Und hier bin ich angesichts der Tatsache, dass Tudor im allgemeinen zu DEN High End-Labels im Hifi-Bereich gezählt wird doch etwas irritiert: Wie dem auch sei, die meisten Hörer hören ja eh über einen „normalen“ CD-player, und somit bleibt mir nur noch übrig, eine Fünf-Punkte-Höchstwertung für diese außergewöhnlich schön eingespielte Kammermusikaufnahme zu zücken. ((Die SACD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels zur Verfügung gestellt.)) |
StöbernVerwandte / ähnliche Artikel: ArchivAlle Reviews können im Archiv nachgeschlagen werden. Dort ist auch eine gezielte Suche möglich. |