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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Ginastera - Cellokonzerte
Bamberger Symphoniker - Lothar Zagrosek; Cello: Mark Kosower

(2011)
Naxos

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Ginastera - Cellokonzerte Nr. 1 + Nr. 2

Erneut eine Spitzenaufnahme aus Bamberg

von Rainer Aschemeier  •  16. Mai 2011

Heureka! Wie selten hat man das, dass man eine CD am liebsten abknutschen würde, und vom weit geöffneten Fenster aus in die Welt hinausrufen möchte: „Mitbürger, die Ihr spannende Musik wertschätzt: Kauft diese Einspielung!!!“? Richtig: Das hat man sehr, sehr selten mal. Umso erfreulicher, dass wir hier nun eine CD dieser raren Gattung besprechen dürfen.

Hier stimmt einfach alles: Es fängt an mit zwei der aufregendsten, durchdachtesten und schlichtweg spannendsten Cellokonzerte, die ich je gehört habe. Müsste ich zu direkten Vergleichen greifen, würde ich Ginasteras Konzerte den zwei Cellokonzerten von Schostakowitsch an die Seite stellen wollen, so überzeugend und ergreifend ist diese Musik!
Der argentinische Komponist Alberto Ginastera (1916—1983) wird hierzulande zunehmend bekannter und ist insbesondere für sein Harfenkonzert berühmt, doch ist er noch keineswegs so populär wie etwa der Brasilianer Heitor Villa Lobos oder der Bandoneon-Virtuose und Komponist Astor Piazzolla, ebenfalls Argentinier. In diesen munteren Reigen müssten wir eigentlich noch den Mexikaner Carlos Chavez mit aufnehmen, von dem wir einige schlicht sensationelle Sinfonien hinterlassen bekommen haben, doch die werden ja in Europa leider auch ignoriert.

Jedenfalls sind also die hier eingespielten Werke schon einmal wertvoll, anspruchsvoll, originell, man möchte mit Superlativen geradezu nur so um sich werfen. Erfreulicherweise wird das — hier haben wir den Beweis: Die Welt kann gerecht sein, wenn alles „passt“ — durch die schier makellose Leistung der Interpreten dieser CD nur weiter untermauert. Lothar Zagrosek, Ex-Chef der Wiener Sinfoniker, einer vom alten Schlag, der sich unter Karajan, Maderna und Swarowsky seine ersten Meriten verdiente und der bereits viele, überwiegend hochkarätige aber leider nur zu oft von der Fachpresse ignorierte Tonträgeraufnahmen vorgelegt hat, trifft bei der vorliegenden CD auf Mark Kosower. Kosower war einige Jahre Solocellist der Bamberger Sinfoniker, bevor er sich zu einer freien Solistenlaufbahn entschloss. Last but not least steht mit den Bamberger Sinfonikern höchstselbst eines der wohl besten Sinfonieorchester Deutschlands zur Verfügung, um diesen hervorragenden beiden Cellokonzerten das zu garantieren, was die Musik verdient: Eine einfach spitzenmäßige Einspielung!

Man merkt förmlich, wie viel Musizierfreude hier in der Luft liegt, wie viel Leidenschaft Solist, Dirigent und Orchester in diese Aufnahmen investiert haben. Hier haben die Ausführenden erkennbaren Spaß an der Sache, womöglich weil auch sie sich freuen konnten, derart verborgene Schätze zu heben!?
Ginasteras Konzerte sind darüber hinaus mit einem immensen Schwierigkeitsgrad für den Solisten ausgestattet: Doch auf dieser CD tritt das nicht in den Vordergrund. Weder erscheint die Cellopartie als pure Brillierrolle — sie ist ganz im Gegenteil als tragendes Element der Musik und sozusagen „konzertdienlich“ gesetzt — noch würde Kosowers technische Leistung etwa nicht ausreichen, sodass man hier und da technische Patzer hören könnte. Keineswegs! Kosowers Leistung ist nicht nur perfekt und makellos, sondern auch sehr emotional und mit einem eigenen, originären „Ton“ gesegnet, sodass man sich allen Ernstes fragen muss, warum dieser fabelhafte Cellsit nicht schon wesentlich bekannter ist. Liest man dann noch, dass die Einspielung von Ginasteras zweitem Cellokonzert eine Live-Einspielung ist, klappt einem glatt die Kinnlade herunter. Ich möchte mal behaupten, dass wir solche fabelhaften Livedarbietungen etwa von den Berliner Philharmonikern bei ihren publikumsträchtigen Fernsehauftritten drei Mal im Jahr nicht immer geboten bekommen. Da kann man wirklich nur den Hut ziehen, und zwar ganz tief!

Einziges Manko: Der Aufnahmeklang, der ein ums andere Mal „künstlich“ wirkt und so anmutet, als hätten es hier die Tonmeister mit einer schwierigen Raumakustik zu tun gehabt, die sie dazu verleitet haben, einzelne Instrumentengruppen sehr „nah“ aufzunehmen. So etwas bringt einen stets in die klangliche Nähe eines gewissen „Studio-Sounds“, was ich zumindest im Bereich der klassischen Musik als weniger schön empfinde als einen mit nur wenigen Mikros gut aufgezeichneten Raumklang — selbst wenn das Endergebnis dann etwas an Auflösung einbüßt.

Wie dem auch sei, das ist ein nur winziger Wermutstropfen in einen alles in allem hervorragenden und dazu noch süffigen Wein. Prosit — Höchstwertung!

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde „The-Listener“ freundlicherweise von der Firma Naxos als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.))

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