Nazareth - Big DogzHunde die beißen, bellen nicht!?von Rainer Aschemeier • 21. April 2011 Das jüngste Album der schottischen Rock-Veteranen Nazareth markiert das nicht weniger als 40-jährige (in Worten: VIERZIG!) Veröffentlichungsjubiläum des Nazareth-Debüts im Jahr 1971. Die Band selbst gibt es bereits seit 1968, wobei von Frontmann Dan McCafferty stets betont wird, dass die Ursprünge der Kapelle sogar bis 1962 zurückreichen. Und noch ein Umstand kommt hinzu: Während Kollegen wie etwa „Deep Purple“, „Whitesnake“, „Uriah Heep“ und wie sie alle heißen, mit längeren Pausen, Splits, Wiedervereinigungen und Ähnlichem von sich reden machten, rockten Nazareth einfach weiter — vierzig Jahre lang! Wow! Kein Wunder, dass dabei doch der eine oder andere auf der Strecke blieb, und so sind die einstigen Gründungsmitglieder Manny Charlton und Darrell Sweet bereits seit Jahren nicht mehr mit dabei. Doch seien wir ehrlich: Wer „Nazareth“ sagt, meint vor allem die unverkennbar rotzige, um nicht zu sagen rostige Stimme einer der Ikonen des Heavy-Rock-Gesangs: Dan McCafferty! Der Sänger, der nachweislich Axl Rose zu dessen Schreihalstum inspirierte sowie (etwas weniger nachweislich) sicherlich auch Steven Tyler von Aerosmith zu dessen Stilentwicklung, röhrt auch heute noch wie in alten Zeiten, wovon sich der Verfasser dieser Zeien vor wenigen Jahren auch live auf einem Open-Air-Festivalgig überzeugen konnte. „Nazareth“ — im Rest der Welt bereits seit Ende der 1980er-Jahre quasi abgemeldet — verstehen es auch im vierten Jahrzehnt ihres Bestehens noch Zehntausende bei riesigen Rockfestivals in Deutschland zu begeistern. Überhaupt ist Nazareth, ähnlich wie etwa auch „Magnum“, eine dieser Bands, die wir Deutschen besonders ins Herz geschlossen zu haben scheinen. Während man in den USA — wo die unter Fans liebevoll und schnittig als „Naz‘“ bezeichnete Kapelle immerhin bis Mitte der 1980er-Jahre auch immens erfolgreich war — die Schotten praktisch überhaupt nicht mehr kennt, buchten die deutschen Veranstalter allein für Frühjahr 2011 immerhin die beachtliche Anzahl von 16 Nazareth-Gigs quer durch die ganze Republik! Das zeigt: Die Beliebtheit des schottischen Heavy-Rock-Quartetts scheint in Deutschland nach wie vor ungebrochen zu sein. Doch kann die jüngste Veröffentlichung der Grund für diese heiße Liebesbeziehung sein? Wie schon bei den Veröffentlichungen der Neunzigerjahre lautet das ernüchternde Fazit: Mal eher nicht… Natürlich weiß auch „Big Dogz“ wieder mit einigen wunderbaren Songs aufzuwarten, wie etwa dem wirklich tollen, einfallsreichen und lässig groovenden Titeltrack „Big Dog’s Gonna Howl“, das sehr überzeugende und midtempolastige „When Jesus Comes Again“ oder das in altem Stil rockende „Lifeboat“. Doch andere Titel, wie beispielsweise „No Mean Monster“, bei dem McCafferty erkennbar an seine vokalen Grenzen stößt oder das in meinen Ohren nicht nur kitschige sondern sogar an Lächerlichkeit grenzende „Radio“ sowie der bekennende Nonsens-Track „The Toast“ sind viel weniger belanglos als eher ein mahnendes Zeichen dafür, dass sich seit den schwächeren Alben der Bandhistorie (wie etwa „Snakes’n’Ladders“ aus dem Jahr 1989) nach wie vor nicht viel geändert hat und dass das erstaunlich gute 2008er Machwerk „The Newz“ offenbar doch nur ein Strohfeuer war. Die Nazareth von heute sind eben nicht mehr die heiß verehrten „Naz`“ von damals. „Damals“, das war die Zeit von Killer-Alben wie „Rampant“, „Razamanaz“, „Loud & Proud“, „Hair of the Dog“ oder (zumindest für mich auch annähernd makellose Kultalben) „Close Enough to Rock’n’Roll“, „Malice in Wonderland“ oder „Sound Elixir“. Die Nazareth von heute hingegen sind eine Durchhalteinstitution, die zwar noch erkennbaren Spaß an der Sache hat und Authentizität zu vermitteln weiß, deren Kreativität auf den neuen Alben jedoch gerade noch so weit reicht, um eine Rechtfertigung für die nächste Welt-Tournee zu haben. Immerhin — und das steht für mich außer Frage — ist „Big Dogz“ eine zum größten Teil sehr hörbare Scheibe geworden und hat, wie beschrieben, auch eine Hand voll richtig guter Songs an Bord, die selbst anspruchsvolle Rocker zufriedenstellen dürften. Und das ist jedenfalls bedeutend mehr, als zum Beispiel die Konkurrenten von „Whitesnake“ gerade zu bieten haben. Und deswegen gibt’s für „Big Dogz“ auch einen Punkt mehr als für „Whitesnake“’s derzeitigen Rohrkrepierer „Forevermore“. |
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