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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

The Final Frontier
Iron Maiden

(2010)
EMI

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Iron Maiden - The Final Frontier

"Eddie" im Weltraum

von Rainer Aschemeier  •  28. August 2010

“’The Final Frontier‘ ist ein Album, das die Urteilskraft des zufälligen Hörers testet. Aber Iron Maiden waren nie auf solche Kunden angewiesen. Die Millionen ihrer Getreuen werden jede Sekunde innig lieben.“
Spricht so eine Band, die von den Qualitäten ihres neuesten Opus felsenfest überzeugt ist? Spricht so eine Band, die möglichst viele Tonträger (oder meinetwegen Streams und Downloads) absetzen will? Ich denke, dass man mit Fug und Recht behaupten kann: Der oben zu lesende Satz von der Iron Maiden-Homepage verwirrt und liest sich wie in unheiligen Blaze Bailey-Zeiten. Der Sänger aus Birmigham war in den Neunziger Jahren für zwei Alben („The X-Effect“ sowie „Virtual XI“) als Bruce Dickinson-Ersatz eingesprungen und hatte seinerzeit erstmals Hundertschaften der sonst als äußerst treu bekannten Iron Maiden-Fans verscheucht. Doch seit dem Jahr 2000 ist Bruce Dickinson mit seiner markanten Stimme, die zu den Wahrzeichen des Heavy Metals insgesamt gehört, wieder mit von der Partie. Durch seinen Neueinstieg wandelte sich die Musik von Iron Maiden allerdings zunehmend in Richtung Progressive Metal: Immer längere, immer vertracktere, immer verschachteltere Songs. Was auf „Brave New World“ (2000) gut zu ertragen war, auf „Dance of Death“ (2003) seinen kreativen Zenit erreichte und auf „A Matter of Live and Death“ (2006) so breit getreten wurde, dass es einfach nur noch nervte, erlebt nun auf „The Final Frontier“ eine Neuauflage.
Was also bringt das neue Album, das Maidens Horror-Maskottchen „Eddie“ diesmal als spacigen Weltraum-Killer zeigt? Wird doch jedes neue Iron Maiden-Album sehnsüchtig erwartet, da es die Band bis heute zumindest theoretisch und manchmal auch praktisch drauf hat, genreprägende Meilensteine zu erzeugen und die Metal-Welt in Atem zu halten.
Der erste Höreindruck hinterlässt einen sehr positiven Eindruck. Das Album, das in einem Tempel des Achtzigerjahremetals, den legendären Compass Point Studios in Nassau auf den Bahamas aufgezeichnet wurde (so, wie einst Iron Maidens „Powerslave“, Nazareths „Malice in Wonderland“ oder Judas Priests „Point of Entry“ und „Turbo“), klingt angenehm druckvoll, aber ohne ins Übertriebene abzuheben. Zudem beweist die Band Mut, das Album mit einem 2 1/2-minütigen, Perpetuum Mobile-artigen, bassgetriebenen Instrumental zu beginnen, das nahtlos in den ersten Song der Scheibe, das titelgebende „The Final Frontier“ übergeht. Hier stellt man fest: Bruce Dickinson ist immer noch in beeindruckend guter Form. Das war nicht immer so. Bereits in den späten Achtziger Jahren, z. B. auf der „Seventh Son of a Seventh Son“-Tournee, musste man bangen, ob der charismatische Maiden-Fronter seine vokalen Qualitäten noch längere Zeit in gewohnter Art und Weise werde ausüben können.
Doch zurück zum Thema: Vergleicht man „The Final Frontier“ mit den Alben seit der Reunion, könnte man sagen, dass die neue Scheibe eine Mischung aus den mehr straight angelegten Werken (wie etwa „Dance of Death“) und den progressiv angehauchten Scheiben (wie etwa „A Matter of Life and Death“) ist. Die Science Fiction-Welten, die Dickinson in seinen Lyrics beschwört, stehen der Band gut zu Gesicht und erinnern ein bisschen an das bei manchen Fans weniger beliebte 1986er Album „Somewhere in Time“, auf dessen Albumcover „Eddie“ als futuristischer Cyborg-Cowboy eine gute Figur gemacht hatte.
Die Songs können insgesamt als inspiriert bezeichnet werden. Das Album macht von vorne bis hinten Spaß, und das bei stolzen 76 Minuten Länge! Es ist aber nichts für Leute, die darauf aus sind, ein möglichst bequemes und eingängiges Album zu erwerben, um mal wieder vor der heimischen Hifi-Anlage die Matte rotieren zu lassen. Ähnlich, wie bereits auf den letzten drei Alben legen Iron Maiden die Latte hoch an, manchmal vielleicht zu hoch. Denn nicht alle Songs können den selbstgesteckten Anspruch, eine Progressive Metal-Band sein zu wollen, auch qualitätvoll erfüllen. So ist z. B. „Isle of Avalon“ schlicht und ergreifend eher langatmig ausgefallen. Auch die ewig gleichen Intros (langsamer, gezupfter Gitarrenbeginn, bevor die Post abgeht) nerven auf die Dauer etwas. Trotzdem weiß „The Final Frontier“ mit mehr Highlights aufzuwarten, als zuvor noch „A Matter of Life and Death“. Herausragende Songs sind „The Talisman“, „El Dorado“ (dieser Song dürfte am Ehesten echtes Hit-Potenzial beinhalten und rockt bestimmt die Stadien auf der nächsten Tour), der Opener „The Final Frontier“ sowie das epische „The Man Who Would Be King“.
Zum Schluss sollte man sich fragen, wo in der langen Karriere von Iron Maiden man das Album qualitativ positionieren kann. Natürlich ist „The Final Frontier“ Lichtjahre von den frühen Meisterwerken wie etwa „The Number of The Beast“ oder „Killers“ entfernt. Aber es sind auch Lichtjahre bis zu Rohrkrepierern vom Schlage „Virtual XI“ oder „No Prayer For The Dying“. Und alles in allem steht es qualitativ den Klassikern näher als den (wenigen) schwächeren Releases der Bandgeschichte.
Als Maiden-Fan, der ich seit nunmehr zwanzig Jahren bin, bin ich sicher nicht unvoreingenommen, weil ich diese Band immer noch echt liebe, wie wenige andere. Doch ich denke, guten Gewissens eine Empfehlung für „The Final Frontier“ aussprechen zu können.

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