Travis - Ode to J. SmithOde mit begrenzter Freudevon Rainer Aschemeier • 10. Juli 2009 Travis ist eine von diesen Bands, denen man in den letzten zehn Jahren förmlich anhören konnte, wie die Musiker altern. Das klingt hart und unfreundlich, und so ist es auch gemeint. Warum nur bin ich so frech? Schließlich wird man selbst nicht jünger. Es ist aber so: Travis veröffentlichten im Jahr 1997 ein Album namens „Good Feeling“, welches auf dem Backcover einen pfiffigen roten Stern mit einem „T“ drin zeigte. Und dieses Album beinhaltete alle Tugenden der Rockmusik der 1990er-Jahre: Innovation, Ideenreichtum, Rotzigkeit, Unabhängigkeit, Schwermut und eine Prise Dekadenz. In der Tat muss ich sagen, dass ich „Good Feeling“ für eines der gelungensten musikalischen Statements des Neunzigerjahre-Alternative-Rocks überhaupt halte. Im Fahrwasser von Oasis waren Travis damals unterwegs und ließen seinerzeit so ziemlich alle anderen britischen Acts uralt aussehen. Nicht umsonst behauptet Coldplay-Sänger Chris Martin standhaft und glaubwürdig, dass es ohne die Musik von Travis die Band Coldplay nie gegeben hätte. Ich würde sagen, das nennt man schon mal „einflussreich“. Mit „The Man Who“ folgte 1999 ein im Vergleich zum grandiosen Debüt wesentlich ruhigeres und wesentlich weniger grandioses Album, das jedoch gleich eine ganze Masse von Hits generierte: „Driftwood“, „Turn“ und natürlich besonders die Schnief-Nummer „Why Does it Always Rain On Me?“ waren zeitweise sehr hübsch, aber nach ein paar Durchläufen essenziell gesehen vor allem der Verzweiflungssoundtrack für pubertätskrisengeschüttelte Mädchenschlafzimmer. Keine Spur mehr vom dreckigen Oasis-Erbe. Leider war aber „The Man Who“ so schrecklich unerklärlich erfolgreich, dass Travis darüber ihre guten Tugenden über Nacht vergaßen, und nicht weniger als drei weitere Alben mehr oder weniger gut zurechtzimmerten, die alle deutlich erkennbar auf dem Sound von „The Man Who“ aufbauten. Auf „The Invisible Band“ funktionierte das noch ganz gut, doch mit „12 Memories“ war dann 2003 leider der Tiefpunkt erreicht. Damals stand die Band auch kurz vor dem Split, was man dem Album anhörte. Es folgten vier Jahre Pause, an deren Ende im Jahr 2007 mit „The Boy With No Name“ ein vor allem songwritingmäßig wieder recht gutklassiges Album auf den Markt kam. Nur ein Jahr später legen Travis also „Ode to J. Smith“ vor. Und erstmals seit gefühlten Jahrzehnten ist wieder ein erkennbarer Wechsel im Sound der Band auszumachen. Man greift wieder rockiger in die Stromgitarre, was bereits der kraftvolle Opener „Chinese Blues“ anzeigt, und was auch folkigen Songs wie „Quite Free“ oder emotionalen Krachern wie „Song to Self“ ziemlich gut tut. Das Songwriting ist nicht ganz so durchgängig zufriedenstellend, wie auf „The Boy With No Name“ aber immer noch gut genug, damit das Album Spaß macht. Als Fazit steht „Ode to J. Smith“ als Silberstreifen am Horizont einer Band, von der man das wohl kaum noch erwartet hätte. Nach musikalischen Maßstäben hätte die Zusammenstellung zwar höchstens drei Punkte verdient (es gibt immer noch zu viele Schnulzen und Füllnummern und mit „Before You Were Young“ eine echte Ohrenbeleidigung mit geklauter Klavierbegleitung und allem…), doch ich gebe noch einen Hoffnungspunkt – der alten Zeiten wegen, und weil ich die Hoffnung auf die wirklich großen Wunder im Leben wohl niemals aufgeben kann. |
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