Einojuhani Rautavaara - Sinfonien Nr. 1-8Zwischen Avantgarde und Establishmentvon Rainer Aschemeier • 7. Juni 2009 Einojuhani Rautavaara dürfte spätestens seit den ambitionierten CD-Aufnahmen des Naxos-Labels, die weite Verbreitung auf der ganzen Welt fanden, zu den bekanntesten Komponisten der Moderne gehören. Doch halt: Ist Rautavaaras Musik mit „Moderne“ überhaupt richtig umschrieben? Insbesondere in den letzten Jahren finden sich Stimmen, die die Musik des Komponisten, der in Finnland als legitimer Nachfolger Jean Sibelius‘ betrachtet wird, als Neo-Romantik hinstellen möchten. Ja, sogar von esoterischem Klangbrei wird gelegentlich geredet. Und überhaupt: Wer heutzutage noch der Sinfonie frönt – ja, der muss doch suspekt sein, oder? Rautavaara schrieb insbesondere in den letzten 20 Jahren häufig Werke, die mit übersinnlichem Gedankengut – oder wer möchte, kann es auch Esoterik nennen – liebäugelten. Bekanntestes Beispiel hierfür ist wahrscheinlich seine Trias aus Kompositionen zum Themenkomplex „Engel“, von denen sich in der vorliegenden Gesamteinspielung der Sinfonien des Finnen die siebte Sinfonie mit dem Untertitel „Angel of Light“ zu erkennen gibt. Auch das vom Band eingespielte Gezirpe und Gequake des „Cantus Arcticus“ (Konzert für Singvögel und Orchester) – das selbst in kleineren deutschen Konzertsälen erstaunlich häufig gegeben wird – ist nicht jedermanns Sache. Da kann der eingefleischte Purist schon mal auf die Idee kommen, Rautavaara mit Kollegen wie etwa Arvo Pärt in einem Topf zu verrühren, um hinterher eine neuromantische Esoterik-Soße zu postulieren. Aber selbst bei Arvo Pärt ist das ja nur die halbe Wahrheit und in dieser häufig gehörten radikalen Haltung seit je her unzutreffend – und für Rautavaara gilt das genauso. Von den 8 Sinfonien, die der mittlerweile Achtzigjährige im Laufe seines Lebens komponiert hat (und die hier jeweils als Aufnahmen der jüngsten Überarbeitungen vorliegen) beruhten immerhin zwei auf einem streng dodekaphonischen Prinzip und eine (die Vierte) liebäugelte sogar mit dem Serialismus. Bis heute ist die vierte Sinfonie somit die einzige serialistische Sinfonie, die je in Finnland komponiert wurde – also im besten Sinne Avantgarde. Die erste Sinfonie hingegen widmete sich einem unbequemen, von Gefühlsduselei noch weit entfernten, Neoklassizismus in der Tradition Strawinskys. Wie man es auch dreht und wendet: Bei der Person Einojuhani Rautavaara scheiden sich die Geister. Jeder sollte die Musik des Finnen einfach selbst erleben, um sich ein eigenes Bild davon zu machen. Es lohnt sich auf jeden Fall, denn es gibt nicht viele Komponisten in diesen Tagen, die nicht nur zu einer eigenständigen Tonsprache gefunden haben (das hat Rautavaara nämlich ganz zweifellos), sondern bei denen man so schön und wie in einem offenen Buch die künstlerische Entwicklung eines Komponisten „nachlesen“ kann, wie in diesen acht Sinfonien. Bislang waren die vorliegenden Aufnahmen übrigens nur als äußerst hochpreisige Einzel-CDs zu haben. Doch als Nachtrag zum achtzigsten Geburtstag Rautavaaras hat Ondine die Sinfonien in einer preisgünstigen Box in limitierter Auflage herausgebracht. Eine lohnende Angelegenheit? Das sollte man meinen, zumal die Besetzungen der Aufnahmen schon auf dem Papier eine gute Figur machen: Es musizieren das Leipziger Radio-Sinfonieorchester (heute mdr-Sinfonieorchester) unter Max Pommer, das Philharmonische Orchester Helsinki unter Leitung des derzeit wohl meist gelobten Interpreten nordischer Musik, dem Komponisten und Dirigenten Leif Segerstam und last but not least das Belgische Nationalorchester unter der Leitung des Pult-Shootingstars Mikko Franck. |
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