Bukarest Fleischvon Frank Castenholz • 17. Januar 2009 Andy Fetscher, Absolvent der Filmakademie Baden-Würtemberg, hat mit seinem Spielfilmdebüt ein angenehm handlungs- und logikentschlacktes, streng auf Wirkung konzentriertes Werk vorgelegt. Zugegeben, die Geschichte wirkt – im Film wie auf virtuellem Papier – etwas hanebüchen: Blonder Backfisch (Friederike Kempter, die Tatort-Seher aus dem Münsteraner Ableger kennen können) erfährt, dass Eltern und Schwester bei einem Ausflug in Rumänien einem angeblichen Verkehrsunfall zum Opfer gefallen sind. Mit ihrem Freund und einen anderen Pärchen düst sie an den Ort des Geschehens; sie wird dort erfahren, dass ihr böser Papa aus Raffgier verseuchtes Fleisch an rumänische Straßenkinder verscherbelt hat. Und dieses Fleisch hat es in sich: es schmerzt, entstellt, verwandelt – und macht insbesondere ziemlich aggressiv! Es kommt, wie es kommen muss, nämlich zum Showdown im – je nach Szenenbedarf – bedrohlich dunklen oder gruselig vollmondbeschienen Rumänenwald und zur rasanten, naturgemäß nicht ganz schmerz- und schreckensfrei ablaufenden Dezimierung der Teenies… Und entgegen der Intention des rumänisch verwurzelten Regisseurs, der uns nach eigenem Bekunden doch eigentlich auch nebenbei die Schönheit der wilden Natur schmackhaft machen wollte, verzichtet man nach diesem Film wohl eher noch auf den nächsten Karpartenurlaub als aufs tägliche Gammelfleisch in der Kantine. Die im kleinen Team und mit ebenso kleinem Zeit- und Geld-Budget gedrehte Produktion zeichnet sich weniger durch glaubhafte Dialoge und motivierte Handlungsverläufe oder gar überzeugende Verhaltensweisen der Protagonisten aus; vielmehr muss man hier den Mut zur Lücke loben, der sich insofern bezahlt macht, als der Zuschauer nach einem gediegenen Auftakt eine Stunde lang im rasanten Tempo durch eine geschickt austarierte, souverän geschnittene Szenenmischung aus Horror-Schock und Thriller-Grusel gescheucht wird, die einen kaum Luft holen lässt. Auf der Haben-Seite sind des Weiteren die unverbraucht agierenden Schauspieler (toll insbesondere Ioana Iacob als taffe rumänische Ortskundige mit mysteriösen Beweggründen) sowie die wunderbare Fotografie zu verbuchten, die trotz der zahlreichen, nahezu videoclipartigen Optikwechsel nicht demonstrativ gekünstelt und ablenkend wirkt. Fast noch toller ist allerdings, dass man die einmalige Chance hat, fasziniert- fassungsloser Zeuge der vielleicht handlungstechnisch unplausibelsten, verhaltenstechnisch unmotiviertesten lesbischen Liebeszene in einem Horrorfilm ever zu werden (ok, zugegeben, ich habe noch nicht alle Streifen von Jesse Franco gesehen). Das sind insgesamt mindestens fünf Minuten wunderbarste, unverhoffte Exploitation (wenn auch der zahmen, filmförderungskompatiblen Art), die einem das kurze Dehnen, Strecken, Entspannen und Wieder-in-den-Sitz-Hochrutschen zum Vergnügen machen, bevor der Achterbahnwagen wieder in Talfahrt geht. Der Film ist 2008 direkt auf DVD erschienen. PS: Ach, ja, über die Guano Apes-mäßige Beschallung muss man geduldig hinweghören, sind halt Freunde vom Andy, das geht okay. |
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