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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Rendez-Vous mit Jack Hill (Offscreen Notizen - Teil 2)

von Frank Castenholz  •  26. März 2008

Welches Bild man sich auch instinktiv von einem Filmemacher macht, der die diversen, aus expliziter Gewalt-, Sex- und Motoren-Zurschaustellung Kapital schlagenden Exploitation/Grindhouse-Spielarten der ´60s und ´70s wesentlich geprägt und das Women-In-Prison-Subgenre gar begründet hat, man dürfte daneben liegen: Hill, der mittlerweile um die 70 Jahre alt sein dürfe und anlässlich einer Werkschau auf dem diesjährigen Offscreen Festival in Begleitung seiner Gattin nach Brüssel reiste, ist ein schmächtiger, höflicher, bescheidener, ganz auf Understatement und feine Ironie setzender Feingeist und Gentleman, den man sich eher am Set einer Woody Allen-Komödie statt auf den Philippinen beim Dreh einer Schlammcatchszene mit knappst bekleideten, vollbusigen Sträflingen vorstellen kann.

Das besondere Talent von Hill scheint mir darin zu bestehen, dass er – allen Widrigkeiten von minimalem Budget, wenigen Drehtagen und massiven Interventionen seitens der Produzenten zum Trotz – selbst grob gestrickten, exploitativen Stoffen immer wieder eine erstaunliche Qualität abringt; zum einen durch die Überarbeitung der Drehbücher und inszenatorische Korrekturen, die die Handlung nach Möglichkeit von Klischees befreit (insbesondere etwa durch den Verzicht auf einfache Auswege und Happy Endings), ihr einen wohldosierten, unaufdringlichen Humor verordnet und den Akteuren, gerade den Schurken und Randfiguren, eine unerwartete Menschlichkeit und Tiefe verleiht; zum anderen sicherlich auch durch sein Gespür für Rollenbesetzungen: Für alle gezeigten Filme lässt sich sagen, dass sich dort vor allem „Typen“ finden, bei denen es nebensächlich ist, ob sie gut „spielen“ können, sie passen einfach auf die Rolle und sie lassen den Zuschauer nicht kalt. Hill hat nicht nur Pam Grier entdeckt und sie zur „Foxy Brown“ gemacht, er hat auch Schauspielern wie Lon Chaney Jr., Beverly Washburn, Sid Haig oder Robbie Lee eine einzigartige Bühne geschaffen. Alle mir bekannten Filme leben insbesondere von den starken Frauengestalten (am unauffälligsten vielleicht noch in „Pit Stop“, selbst dort sind aber Beverly Washburn und insbesondere die junge Ellen Burstyn in einer starken Nebenrolle die wahren Heldenfiguren).

Hill selbst antwortete in einem Fanzine-Interview auf die Frage, was den „lasting appeal“ seiner Low-Budget-Filme ausmache, treffend:
“Well, it’s because I tried to give my films more than just the surface sex, action and violence that was called for, although that was an essential, or I wouldn’t have been able to work. I tried to give them more depth and humanity and character.”

In Brüssel nach seinem letzten Film gefragt, entgegnete er überzeugt: “My last movie has not been made yet!” U.a. plant er Remakes von Boris Karloffs letzten vier Filmen, die damals zum Großteil in Mexico gedreht wurden und bei denen Hill selbst als Regisseur involviert war. Karloffs Part soll, natürlich, Sid Haig übernehmen.
Eigentlich hat Hill aber dem Horror- und Action-Genre weitgehend entsagt, viel lieber schreibt er mittlerweile Scripts für – und damit wären wir doch wieder bei Woody Allen – „romantic comedies“.

Zu den Reviews:
SPIDER BABY
PIT STOP
THE BIG DOLL HOUSE
SWITCHBLADE SISTERS

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