Alles ohne Zucker: Kris Kristofferson beehrt Hamburg11. März 2007, Deutsches Schauspielhausvon Frank Castenholz • 13. März 2007 Kris Kristofferson wird man – auch wenn ihn viele nur noch als B-Movie-Schauspieler in Erinnerung haben mögen – ohne Übertreibung eine Legende nennen können. Dass er einer der profiliertesten und einflussreichsten Nashville-Songwriter im üppigen und schwer nach Genre zu sortierenden Country/Folk/Pop-Gestrüpp der Endsechsziger war, Outlaw schon, bevor es diesen Terminus gab, darf man nie vergessen, selbst wenn ihm schon nach seinem zweiten Album „The Silver Tongued Devil And I“ 1971 die Inspiration zunehmend versiegte und er fortan musikalisch nur noch allenfalls Passables zu leisten vermochte … bis hin zum überraschend überzeugenden Album „This Old Road“ im vergangenen Jahr, das mit wenig Pathos und gänzlich ohne Zucker zeigte, wie ein Mann egal welchen Alters noch die Herzen packen kann, wenn er nur sein eigenes bloß legt. Ob ihm dies auch live gelingen mochte, durfte man mit einiger Spannung erhoffen, ist Kristofferson doch, wie viele seiner Kollegen aus dem niveauvolleren Country-Segment, in Deutschland ein rarer Gast. Das Publikum im ehrwürdigen Schauspielhaus war angenehm durchmischt, alters- wie auch kleidungsstechnisch, es überwog aber doch der kultivierte, gediegene Auftritt, wofür es mit Künstler, Ambiente und insbesondere dem Ticketpreis gleich drei plausible Gründe gab. Ein paar Cowboyhüte waren allerdings auch zu sehen (sollte man diese nicht im Saal vom Kopf nehmen, schon aus Rücksicht vor dem, der hinter einem sitzt?). Ob die Herren von Truck Stop den Ortstermin ebenfalls wahrnahmen, ist nicht verbürgt, jedenfalls wurden Volker Lechtenbrink und Gunter Gabriel gesichtet. Kristofferson spielte solo, die Songs begleitete er recht spartanisch mit einfachen Akustikgitarren-Akkorden und ab und zu ein wenig Mundharmonikaakzent – von ihm selbst treffend kommentiert mit „Well, I’m not Bob Dylan, but that’s all I got“ -, wie auch auf „This old road“ zu hören, deutlich näher dem Folk eines Ramblin‘ Jack Elliott oder frühen Dylan denn selbst dem reduzierten, aber gleichwohl oft noch nachvollziehbar country-verwurzelten Spätwerk von Johnny Cash. Das Gitarrenspiel war teils recht fahrig-schludrig, wie er auch manche Songs nicht mal ordnungsgemäß beendete, sondern unvermittelt abbrach, wenn die letzten Zeilen versungen waren. Das machte aber erstaunlicherweise gar nichts aus, vielmehr vermochte Kristofferson es oft, gerade mit diesen fragilen und zugleich transparenten Rohfassungen den Kern des Songs freizuschälen. Es vermittelte sich auf diesem Wege auch nie der Eindruck, einer durchgeplanten Show beizuwohnen, alles blieb unmittelbar, unperfekt, aus dem Augenblick geschöpft. Das etwa 2-stündige Programm (zwischendurch gab es eine viertelstündige Pause) bestand erfreulicherweise aus fast sämtlichen Songs seiner ersten beiden Alben, einigem von seinem übrigens sehr freundlich aufgenommenen neuen Werk, und noch ein paar anderen Songs der langen Zwischenzeit, „Jesse Younger“ etwa oder das wunderbare „Come Sundown“. Schon die Songauswahl allein garantierte Seligkeit. Wer hätte schon auf „The Best Of All Possible Worlds“,Casey’s Last Ride“ oder „Darby’s Castle“ wetten wollen: pure Schönheit in denkbar schlichtem Gewand. Kris war augenscheinlich sehr angetan von dem überaus herzlichen Empfang nahezu durchgehend brausenden bis euphorischen Klatschens, wie auch von der edlen Atmosphäre des Schauspielhauses. Er hätte sich ja nie träumen lassen, an solchem Orte aufzutreten, damals vor zig Jahren, als er noch … (man kennt die Geschichte, hört sie gleichwohl gerne). Immer wieder flocht er Anekdoten zu den Songs ein, teils kommentierte er einzelne Zeilen gar direkt während des Vortrags, etwa bei „Best Of all Worlds“, dass die Zeiten von „there’s still so many lonely girls“ nun auch schon einige Jahre vorbei seien (man kennt die Geschichte…). Die Erfolgsschnulze „ For the good times“ ward eher pflichtschuldig durchexerziert, „To Beat the Devil“ hingegen als Monument der Zeiten, in denen er sich noch ohne nennenswerte Erfolge als Nashville-Songwriter durchschlug, war schlichtweg umwerfend intensiv; insbesondere bei den Songs des neuen Albums merkte man, dass er hinter jeder einzelnen Zeile steht und er sein Herz ausschüttet, nicht nur bei den erwartbaren Kommentaren zur US-Politik, sondern auch gerade wenn er sich in einer Anekdote oder in einem Songtext vor seinen Idolen und Freunden wie Mickey Newbury, Johnny Cash, Roger Miller oder Willie Nelson verbeugte. Was eigentlich machte nun das Faszinosum des Abends aus, die Lieder selbst, oder doch eher das Ereignis, Kris Kristofferson diese legendären Stücke aufführen und kommentieren zu sehen, so wie er sie vielleicht auch vor dem Kamin seinen Kindern vorspielt? Es war am Ende wohl doch „the singer not the song“. Ein Mann mit berührendem Charme und überwältigendem Charisma, selbst schon Teil der Musikgeschichte, spielte er ohne jeglichen Begleitschutz, ohne Effekthascherei und musikalische Finessen, mit brüchiger Stimme, völlig unprätentiös und voller Dankbarkeit und Herzlichkeit seine Lieder. Hoffentlich nicht zum letzten Mal in deutschen Sälen. |
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