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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Happy Birthday Sir Andrzej!

Ulrich Hermann über ein Konzertereignis der Berliner Staatsoper

von Ulrich Hermann  •  23. September 2014


Foto: wikimedia

Konzert am 19. September 2014 im Otto-Braun-Saal der Stabi Berlin zu Ehren des 100. Geburtstags von Sir Andrzej Panufnik

Mit Kwartet Polski Deutsche Oper Berlin und Nagisa Takhashi, Violine – Joana Nunes, Viola – Dorota Inielowska, Cello – Guy Tuneh, Kontrabass
Moderation: Frank Harders-Wuthenow

Ehrengast: Lady Camilla Panufnik

Und wir können sagen: „Wir sind dabei gewesen!“
So hätte der alte G. das Ereignis kommentiert, dessen Zeugen wir Anwesenden am Freitag Abend waren. Ein Konzert zu Ehren des polnisch/britischen Komponisten Sir Andrzej Panufnik und seiner Tochter Roxanna. Zu hören war das Streichsextett„Train Of Thoughts“ in einer Fassung für Streichseptett (mit Kontrabass), „Memories Of My Father“ für Streichquartett von Roxanna Panufnik, Recit für Cello Solo von Piotr Moss und nach der Pause das Streichquartett No. 2 „Messages“ und zum Abschluss sein Violin-Konzert.

Das Quartett Polski der Deutschen Oper Berlin mit Tomasz Tomaszewski und Pjotr Prysiazik, Violine, Sebastian Sokol, Viola und Hila Karni, Violoncello spielte, wobei der Primarius auch als Solist im Violin-Konzert „glänzte“.

Dass sich die Musiker für diesen Abend mit der Musik ihres polnischen Landsmannes und seiner Tochter, sowie eines anderen polnischen zeitgenössischen Komponisten befassten, ist besonders auch deswegen erwähnenswert, weil die Musik von Sir Andrzej Panufniks in Deutschland – im Gegensatz zu England und den USA – immer noch eine terra incognita ist. Zu seinem 100. Geburtstag am 24. September 2014 werden in England und auch in seinem Heimatland Polen eine ganze Reihe hochwertigster Veranstaltungen stattfinden, aber hier in unserem Land scheint Berlin die einzige Stadt zu sein, in der – auch unter der Ägide des Verlags Boosey & Hawks, der alle Werke von Panufnik verlegt – Musik eines der bedeutendsten und aufregendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts erklingt. Aber das teilt Sir Andrzej Panufniks Musik mit vielen seiner Zeitgenossen. Unsere Konzert-Programme, besonders hier im musikalisch konservativen München – wo es doch nach dem Krieg einen Karl Amadeus Hartmann und eine „Musica Viva“ gegeben haben soll – sind in aller Regel fast ausschließlich dem „mainstream“ gewidmet, allem, dem das Publikum sowieso schon gewohnheitsmäßig nachgeht. Ich selbst habe vor ca. 25 Jahren in einem Konzert in der Aula der Universität das Streichsextett von Panufnik zum ersten Mal gehört, ansonsten ist dieser Komponist in München ein völlig Unbekannter geblieben, wenigstens meines Wissens nach.

Dabei gehört seine Musik zu den bewegendsten und mitreissendsten Werken des 20. Jahrhunderts, wovon sich ein Interessent auch über eine 8 CD umfassende Box des Labels CPO überzeugen kann. Panufnik lehnte es Zeit seines Lebens ab, sich irgendeiner Schule, Doktrin, Methode oder Idee anzupassen, er suchte und fand seinen Weg ganz alleine und davon erzählt seine Musik in jedem ihrer ureigensten Momente. So auch an diesem Abend.

Sie Septett-Fassung seines Streichsextett „Train Of Thoughts“ gewinnt durch die Hinzunahme des Kontrabasses ungemein. Es entsteht dadurch eine intensivere Basis, auf der die Unerbittlichkeit des Rhythmus, der das ganze, ca,. eine viertel Stunde dauernde Stück durchzieht. Noch dazu, wenn so ein „Tänzer-Musiker“ mit seinem Instrument einsteigt, wie Guy Tuneh, der eben nicht nur die rechten Töne „abliefert“, sondern dessen bewegtes, „tänzerisches“ Spiel wir vor allem im letzen Stück, dem Violinkonzert erleben und staunend bewundern konnten. Panufniks Tochter Roxanna, geboren 1968, widmete ihr Streichquartett dem Andenken ihres Vaters. Natürlich sind Anklänge zu hören und zu spüren, dennoch ist die Roxanna Panufnuk ängst aus dem Schatten ihres Vaters herausgetreten. Ihre Kompositionen sind inzwischen weit verbreitet. Auch das Stück für Cello-Solo von Piotr Moss ist Panufnik verpflichtet. Es lotet die gesamte Breite des auf diesem Instrument Möglichen aus, ohne jedoch in Effekthascherei zu verfallen. Die Solistin Dorota Imielowska bot alle ihr Können auf, um dieses Werk mit vollem Einsatz zu musizieren.

Nach der Pause – ich war am Morgen aus München angekommen und ein wenig erschöpft – standen zwei seiner schönsten Werke auf dem Programm: Das zweite Streichquartett – inspiriert vom Summen der Telegrafendrähte in Panufniks polnischer Jugendzeit – und sein Violinkonzert, das er auf Bitten von Yehudi Menuhin schrieb. Das Polski Kwartett der Deutschen Oper Berlin spielte dieses Stück mit berückender Energie und Begeisterung, und machte damit ein Diktum des Komponisten deutlich, der einmal sich so äußerte: „Ich bin nicht der Meinung, das Moderne Musik immer hässlich und atonal klingen muss!“ Welche Klänge ein Komponist – und natürlich die entsprechenden Musiker – einem Streichquartett entlocken können, ist sagenhaft. Und eines der Merkmale der Panufnikschen Kompositionen ist ja gerade die Unerhörtheit seiner Klangvorstellungen, die er den „ganz normalen“ Instrumenten zu vermitteln weiß. Sie treffen bei entsprechend bereiten Ausführenden auf offene Herzen und Ohren, was selbst beim Anhören der CDs auffällt. Um so mehr natürlich, wenn die Musik live ertönt, was ihren Zauber erst recht erweckt. Im Nu war
jedenfalls alle Müdigkeit und alle meine Schwäche wie weggeblasen.

Den Abschluss bildete dann – nachdem Lady Camilla mit Frank Harders-Wuthenows Moderation und Einführung uns zwei Mal von ihrem Mann erzählt hatte – das besagte Violinkonzert. Professor Tomasz Tomaszewski war der Solist in dieser Fassung des Konzerts für Streichquartett und Kontrabass. Es beginnt mit einer Einleitung der Solo-Violine und dann entfaltet sich die Musik in einer berückenden Kraft und Schönheit. Dass Musik des 20. Jahrhunderts so schön und mitreißend klingen kann! Aber das ist Panufniks Musik so einzig,
dass ihre „Klangrede“, ihre „Klangsprache“ so berührt, so anspricht und bewegt wie kaum die Musik eines Komponisten des zwanzigsten Jahrhundert es – wenigstens bei mir – bisher vermochte. Weiß der Himmel genau, warum!

Jedenfalls war diese Musik – besonders auch das Spiel von Solo-Violine und dem „getanzten“ Kontrabass-Spiel von Guy Tuneh zusammen mit den natürlich ebenfalls mit „leib und Seele“ spielenden übrigen Ausführenden – für mich der Höhepunkt dieses sowieso überreichen Abends. Und ich war mir wieder einmal sicher, warum ich für Sir Andrzej Panufnik und seine Musik eine Hommage geschrieben hatte, die nachzulesen ist im Blog „The-Listener.de“

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