2006 gern gehörtEin persönlicher Jahresrückblickvon Frank Castenholz • 31. Januar 2007 1. JOHNNY CASH – American V: A Hundred Highways Hier geht’s zur Kritik. 2. THE FLAMING LIPS – At War With The Mystics Das grandiose Konzert in der Hamburger Markthalle hätte gar nicht sein müssen, um mich auf dieses wahnwitzige Werk einzuschwören; es hat aber auch nicht geschadet. Nach „The Soft Bulletin“ und „Yoshimi…“ nun schon das dritte Album, das mit überschwänglichen Melodien, dick gepinselter Rockopulenz und buntnaiver Lyrik ohne jegliche Seichtheit einsame Maßstäbe auf einem Feld setzt, welches die Band ohnehin nahezu im Alleingang beackert (und, nein, Mercury Rev zählen nicht). Yeah! Yeah! Yeah! 3. KANTE – Die Tiere sind unruhig Nachdem Blumfeld nun also unverschämterweise beschlossen haben, sich im Jahr 2007 aufzulösen, bleiben verdammt wenige deutschsprachige Bands über, denen man trauen kann. Glücklicherweise haben Kante mit ihrem konzentrierten, aber gleichwohl leichtfüßig dahergaloppierenden und bestens betexteten Album gezeigt, dass auch ohne happy end alles gut werden kann, so irgendwie und vielleicht jedenfalls. Man sieht sich auf der „Größten Party der Geschichte“! 4. HOWE GELB – ’Sno Angel Like You Mit Gospel-Chor und Gästen, aber verlässlich luftigem und reduzierten Arrangement, vertonte Gelb in gewohnter Spontanität eine lebensfrohe wie besinnliche Songsammlung, die je zu einem Drittel aus neuem Liedgut, rückschauender Neuinterpretation und einem Tribut für seinen verstorbenen Lebensfreund Rainer Ptacek besteht. Unter dem Eindruck des Chors fühlte sich Gelb offenbar verpflichtet, höchstselbst sein Stimmbestes zu geben und sich zudem die üblichen Spielchen, Brüche und Irritationen zu verkneifen. Insofern vielleicht wirklich sein zugänglichstes, jedenfalls aber kohärentestes Werk seit langem. „Neon Filler“ anhören, bitte! 5. JOANNA NEWSOM – Ys „Gitarre mit Puffärmel“, „musikalische Strumpfhosen“, “... als trage man Pluderhosen und Puffärmel, als schreite man beim Tanz taktgenau im Kreise …“, so unkte hübsch fies der Herr Bruckmaier von der Süddeutschen Zeitung, traf allerdings nur die Oberfläche (schon weil da gar keine Gitarren sind). Vom prätentiös verschwurbelten Mittelalter-Mix mit Blumenkranz, Sichel und schwarzem Raben auf dem Cover sollte man sich nicht abschrecken lassen. Dafür bekommt man ein Album zum Geschenk, das so klang wie nichts im Jahr 2006 (und davor eigentlich auch nicht): Fünf ausladende Epen, die ein Füllhorn an faszinierenen Melodien bieten, wenn man erstmal Freundschaft mit Newsom’s eigenwilliger Stimme, der Harfe als Leitinstrument und den Orchester-Tupfern von Van Dyke Parks geschlossen hat. Hörenswert, weil außergewöhnlich, auf seine Weise radikal und zugleich anachronistisch wie innovativ. 6. BLUMFELD – Verbotene Früchte Es ist also, was man 2006 noch nicht wissen konnte, ein Abschiedswerk, aus manchen Ecken angefeindet wie nichts gutes, weil es nicht in jeder Sekunde die soziale Relevanz aufwies, die herrisch eingefordert wurde. Schlager nur? Eher doch Folk, Chanson und eben einfach: brillanter Pop. Im Übrigen auch ohne den beklagten radikalen Bruch zum Frühwerk, sondern musikalisch wie textlich eine konsequente Weiterführung. Blumfeld singen weiterhin unbeschwert gegen das Coolnis-Diktat der Indie-Musik an. So vereinnahmen sie bewusst oder bedenkenlos Themen, Worte, Wendungen und musikalische Weichheiten, die man zunächst instinktiv in die Schubladen Schlager, Kinderlied oder Mundorgel sperren will, weil sie dort exzessive und floskelhafte Abnutzung erleiden. Jochen Distelmeyer hingegen textet ganz präzise und respektvoll und wird dem Wortschatzreservoir dadurch ganz gerecht. 7. WILLIE NELSON – You Don’t Know Me: The Songs Of Cindy Walker „Songbird“, mit der Paarung Ryan Adams & Willie Nelson, war auf dem Papier eine reizvolle Mischung, im Studio allerdings weniger, fast schon worst of both worlds. Dann doch lieber das leider oft übersehene, von Altmeister Fred Foster wunderbar warm und altbacken produzierte Cindy Walker-Tribute, das mit unwiderstehlichen Old-Time-Songperlen auf äußerst charmante Weise die goldenen Zeiten des Western Swing wieder aufleben lässt. Und Nelson singt goldkehlig wie selten. 8. TORTOISE & BONNIE „PRINCE“ BILLY – The Brave and The Bold Wie Willie Nelson hat auch Will Oldham das Große im Kleinen mühelos geschaft, während das ambitioniertere Projekt („The Letting Go“) vielleicht doch etwas zu verhuscht und großspurig daherschritt. Das Coveralbum indes ist Unterhaltung und Spielerei im besten Sinne. die Vorlagen werden lustvoll zerlegt und von Pathos und Patina befreit, und doch bleibt erstaunlicherweise die berührende Essenz von Songs wie „Thunder Road“, „Daniel“, „Some Say I Got Devil“ oder „Pancho“ unangetastet. Und wenn tatsächlich ein hübscher Versuch wie „cravo é canela“ oder das gerade mal 2:40 lange „That´s Pep!“ dazu taugt, den Alt-Fan erbleichen oder erzürnen zu lassen, dann war´s ohnehin allerhöchste Zeit. 9. M. WARD – Post-War Das arg auf putzig und eingängig getrimmte „Chinese Translation“ schafft es kaum, nicht zu nerven. Ansonsten aber ein durchgehend gelungenes Album, dem die Vermählung zwischen LoFi-Americana und satt produziertem Pop bestens gelingt und M. Ward einmal mehr als herausragend talentierten Songwriter seiner Generation ausweist. 10. SOLOMON BURKE – Nashville Hier geht’s zur Kritik. |
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