Berlioz Fantastique?Ist die neue 10 CD-Box mit historischen Aufnahmen beim documents-Label ihr Geld wert?von Rainer Aschemeier • 11. Juni 2014 Große CD-Boxen mit viel Inhalt zum kleinen Preis waren für die kränkelnde Klassik-Branche der 2000er-Jahre der große Rettungsanker. Was Low Budget-Labels wie Brilliant Classics, documents und Naxos vormachten, machten alle nach. Heute sind CD-Boxen so zahlreich wie Sand am Meer, sodass man meistens nicht weiter staunt, wenn eine weitere 10 CD-Box unter’s Volk geworfen wird. Eine Ausnahme aber gibt es dann doch: Hector Berlioz`Werk war bislang boxenmäßig ein nur wenig beacktertes Feld. Zwar gab und gibt (?) es noch eine eher lieblos zusammengestellte Berlioz-Box bei Brilliant Classics, allerdings beschränkte sie sich – so weit ich mich erinnere – auf das symphonische Werk des französischen Komponisten. Nun erschien bei „documents“ eine 10 CDs beinhaltende Berlioz-Box mit vielen Hauptwerken und netten Beigaben zum Supadupadumpingpreis, die vorwiegend (wenn auch nicht ausschließlich) auf historische Aufnahmen zurückgreift. Wir haben mal reingehört: Wird man mit dieser Werkedition für gerade einmal ca. 10-12 € wirklich glücklich? Ein Rundumschlag: Die „Symphonie Fantastique“ liegt hier in einer seltenen Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern unter Igor Markevitch aus dem Jahr 1954 vor. Wohlgemerkt: Dies ist nicht die einstige Deutsche Grammophon-Aufnahme Markevitchs mit dem Orchestre des Concerts Lamoureux, die unter Insidern als Meilenstein der Berlioz-Interpretation gilt. Für „La damnation de Faust“ gibt es eh nur wenig Auswahl am Markt, wenn man es auf eine Gesamteinspielung anlegt. Und da documents offenbar ebendies haben wollte, griffen sie zur hinlänglich etablierten und ebenso hinlänglich hoch gelobten ehemaligen Deutsche Grammophon-Aufnahme aus dem Jahr 1957 (nicht 1959, wie auf dem Cover der documents-Box fälschlicherweise zu lesen ist). Diese Aufnahme gilt weithin als Referenzeinspielung, und dies durchaus mit Fug und Recht. Eine gute Wahl! Die Ouvertüren erklingen auf einer eigenen CD in überwiegend guten bis sogar sehr guten Aufnahmen des Royal Philharmonic Orchestra unter Sir Alexander Gibson, bei denen es doch bemerkenswert ist, das diese Aufnahme aus dem Jahr 1995 schwammiger und undifferenzierter klingt, als das Gros der 1950er-Aufnahmen, die wir sonst in dieser Box vorfinden. Aber zum Klang an sich komme ich zum Schluss noch einmal. Fazit bis hierhin: Die Einspielungen gehen bis auf einen misslungenen Römischen Karneval und eine zumindest eigentümlich gewählte Symphonie Fantastique voll in Ordnung. Aber! Ja, aber der Klang! Ich persönlich habe keine Ahnung, warum die documents-Restauratoren derart alles Bandrauschen plattmachen müssen. Dabei gehen in den leisen Passagen sämtliche Höhen verloren, teilweise kommt es sogar zu quäkigen Mitten, kurz und gut: Etwas weniger Rauschunterdrückung, und die Box wäre auch an dieser Front durchaus empfehlenswert gewesen. Im Popmusikbereich bekommen wir von diesem Label ja ein ums andere Mal auch sehr schön restaurierte Boxen vorgesetzt, die oft deutlich besser klangrestauriert sind als ihre klassischen Pendants, bei denen die Rauschunterdrückung im Hause documents oft genug mit der Methode „Holzhammer“ stattzufinden scheint (man lese zu diesem Problem auch meine Rezension der Britten 100-Box von demselben Label). |
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