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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Der Requiem-Check

Mozarts Requiem erscheint in diesen Tagen gleich dreimal mit verschiedenen Orchestern und Dirigenten – Wir haben alle drei angehört!

von Rainer Aschemeier  •  20. Mai 2014

Gleich dreimal erscheint in diesen Tagen Mozarts Requiem neu auf CD. Moment mal, wirklich neu? Nun gut, nur zwei Aufnahmen, die wir hier vorstellen, sind echte Novitäten. Eine weitere kommt mit einem der ganz großen Granden der Mozart-Interpretation einher und ist eine Wiederveröffentlichung. Genug geredet. Heute heißt das Motto: Kurze Rede, langer Sinn! the-listener.de macht den Requiem-Check!

DIE „S-KLASSE“ – JANSONS UND DAS CONCERTGEBOUW ORKEST

Royal Concertgebouw Orchestra
Netherlands Radio Choir
Genia Kühmeier, Bernarda Fink, Mark Padmore, Gerald Finley
Label: RCO Live
Katalog-Nr.: RCO 14002

Die Fassung:
Zu hören gibt es hier die traditionelle Süßmayr-Fassung des Requiems in heute üblicher, voller Orchesterbesetzung.

Die Besetzung:
Mariss Jansons gehört zu den prominentesten Dirigenten unserer Zeit, das Concertgebouw Orkest Amsterdam ist fraglos eines der besten Orchester der Welt. Dazu kommt eine geradezu luxuriös , ausschließlich mit großen Bühnenstars besetzte Sängerriege. Kurz und gut: Wir haben hier so etwas wie die „S-Klasse“ unter den Requiem-Novitäten.

Die Interpretation:
Wie es nun einmal so ist mit den „S-Klassen“: Der eine mag’s der andere nicht. Unter Jansons erlebt man mit dem Concertgebouw Orkest einen Orchesterklang, der einerseits sehr agil und auf feindynamischer Ebene fast schon übertrieben ausdifferenziert ist, andererseits aber auch merkwürdig schwerfällig und zäh wirkt. Das liegt über weite Strecken an den sehr gemächlichen Tempi, zu denen Jansons greift, die seit den Zeiten Herbert Kegels oder Sergiu Celibidaches wohl kaum jemals so breit genommen worden sind. Das muss per se nichts Schlechtes sein, jedoch irritiert Jansons durch merkwürdige Akzentsetzungen, die ich persönlich schlichtweg als Manierismen einstufen würde.

Der Klang:
Hier gibt es nichts zu meckern. Im Feld der getesteten Aufnahmen führt diese Live-Aufnahme das Feld in punkto Hifi-Sound bei Weitem an! Klar und durchhörbar ist das Klangbild ebenso wie natürlich und von den höchsten Höhen bis in den Basskeller lückenlos gestaffelt. Erstklassiger Sound!

Fazit:
Die Luxusklasse unter den „Requiems“ überzeugt mit schier perfekter instrumentaler und sängerischer Qualität, irritiert aber durch eine gelinde gesagt unkonventionelle Werkauffassung, die mit zähen Tempi und merkwürdigen Details eher befremdet als überzeugt.

„ALTE SCHULE“ – SIR CHARLES MACKERRAS UND DAS SCOTTISH CHAMBER ORCHESTRA

Scottish Chamber Orchestra & Choir
Sir Charles Mackerras
Susan Gritton, Catherine Wyn-Rogers, Timothy Robinson, Peter Rose
Label: Linn Records
Katalog-Nr.: BKD 211

Die Fassung:
Auch hier gibt es die traditionelle Süßmayr-Fassung zu hören, allerdings in einer abgespeckten Besetzung, die sich an den Belangen der historisch informierten Aufführungspraxis der 2000er-Jahre orientiert.

Die Besetzung:
Sir Charles Mackerras ist als Vertreter der historisch informierten Aufführungspraxis ein Dirigent der „alten Schule“. Er war einer der ersten, der den Mozart-Sound vergangener Jahrzehnte ad acta legte und ihm eine Frischzellenkur verpasste. Das Scottish Chamber Orchestra war dabei Mackerras‘ bevorzugtes Ensemble und kommt auch auf dieser CD des Hifi-Labels Linn zum Einsatz. Die Gesangsbesetzung passt sich dem Bild an und umfasst überwiegend zum Teil sehr namhafte Solisten, die man aus dem Bereich der historischen Aufführungspraxis her kennt oder kannte.

Die Interpretation:
Mackerras gelangen immer wieder sehr gute Mozart-Aufnahmen, nicht zuletzt zählen dazu seine Mozart-Opern-Einspielungen für Telarc, wo er auch ein ansprechendes Komplettset der Mozart-Sinfonien mit dem Scottish Chamber Orchestra vorlegte. Diese Requiem-Einspielung hier ist jedoch – ich sage es ungern – erschreckend belanglos und in noch erschreckenderem Ausmaß flach und undynamisch. Gleiches gilt übrigens auch für die sängerischen Leistungen, was schlichtweg enttäuschend ist. Übrigens: Wo Jansons die Feindynamik vielleicht an manchen Stellen zu weit treibt, ignoriert Mackerass sie beinahe völlig. Das Endergebnis wirkt wie ein Einheitsbrei, der es wirklich nicht verdient hätte, dass man ihn im Rahmen einer Serie neu wieder auflegt.

Der Klang:
Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2002 und klingt selbst für damalige Verhältnisse nicht unbedingt gut. Die Höhen wirken leicht gekappt, insgesamt hat man den Eindruck, Sänger und Orchester spielten nicht in einer Halle, sondern in irgendeiner Art Schuhkarton. Auch in dieser Hinsicht: klar unterdurchschnittlich!

Fazit:
Nicht empfehlenswert. Punkt!

DIE „HISTORISCH INFORMIERTEN“ – DAS DUNEDIN CONSORT MIT JOHN BUTT

Dunedin Consort
John Butt
Joanne Lunn, Rowan Hellier, Thomas Hobbs, Matthew Brook
Label: Linn Records
Katalog-Nr.: CKD 449

Die Fassung:
Wir hören die klassische Süßmayr-Fassung, jedoch mit stark zurückgefahrener Besetzungsgröße mit kaum zehn Musikern und einem „Chor“ bestehend aus vier Sängerinnen und Sängern plus dem Solistenquartett.

Die Besetzung:
Das Dunedin Consort gehört zu den ideenreichsten und experimentierfreudigsten Ensembles in Europa, wenn es um historische Aufführungspraxis geht. Das wird auch auf dieser SACD wieder deutlich. Man hat hier versucht, die Situation der Uraufführung von Mozarts Requiem nachzustellen, die aufgrund von „Personalmangel“ in stark reduzierter Besetzungsgröße stattfand. Die Musiker spielen auf historischen Instrumenten, dazu gibt es wirklich hervorragende Sänger aus der Alte Musik-Szene zu hören. Interessant das Ganze!

Die Interpretation:
Wie schon unter „Besetzung“ zu lesen: Man kann bei dieser Aufnahme kaum von einem Orchester sprechen. Die extrem reduzierte Besetzungsgröße führt zu einem durchaus interessanten, weil frischen und sehr luziden Klangbild, das manche Details offenlegt, die bei Aufnahmen mit größerem Orchester und vor allem größeren Chor unter den Tisch fallen. John Butt dirigiert das Requiem flott aber nicht gehetzt und vergisst auch nicht die diffizile innere Feindynamik des Werks. Das vollkommen fehlende Streichervibrato wird – wie fast überall bei Aufnahmen aus dem historisch informierten Bereich – die Lager spalten. Der eine mag es, der andere nicht. Falsch – so hat die Musikwissenschaft inzwischen wohl zu Genüge nachgewiesen – ist es in jedem Fall.
Wie dem auch sei: Beim Dunedin Consort klingt Vieles rund und ausgewogen und vor allen Dingen konzipiert und überlegt. Die Sänger sind überwiegend Weltklasse, wobei die zweifellos großartige, klanglich aber überpräsente Joanne Lunn besonders wirkmächtig durch die Boxen trällert.

Der Klang:
Gut. Nicht mehr und nicht weniger. Das Linn-Label selbst zählt seine Aufnahmen gern zur obersten Speerspitze der Hifi-Elite. Das ist definitiv ein Trugschluss. Die oft übertriebene Transparenz und Brillanz der Linn-Einspielungen wird oft genug mit Nebengeräuschen und einem insgesamt „flatterigen“ Klangbild erkauft. Zwar halten sich die Nebengeräusche hier in relativen Grenzen, aber unruhig und flatterig wirkt das Klangbild allemal. Ich persönlich werde einfach nicht warm mit dem Linn-Sound. Ein anderer mag das anders sehen.

Fazit:
Butts unkonventionelles Requiem-Konzept ist eine Entdeckung wert, auch wenn man es kaum als repräsentativ für das betrachten kann, wofür das Stück heute steht. Als Alternativfassung ist es durchaus von Reiz und hält viele Momente bereit, die einfach frappieren und Spaß machen. Das liegt zum einen an der gelungenen Besetzung und an Butts musikalischem Dirigat, vor allem aber einfach auch an der stark reduzierten Besetzungsgröße, die einfach Klangeffekte hervorbringt, die man so bislang nich nicht gehört hat.

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