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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Die besondere CD: Jassen Todorov spielt Eugène Ysaÿes sechs Sonaten Op. 27

Großartige, von außergewöhnlich individueller Handschrift geprägte Aufnahme aus Bulgarien

von Rainer Aschemeier  •  6. September 2013

Ähnlich wie in Tschechien mit „Supraphon“ und in Ungarn mit „Hungaroton“ gab es auch in Bulgarien bis vor einiger Zeit noch eine Art „Nationallabel“ für klassische Musik: Das Label „Bulgaroton“.

Nun ist der bulgarische Klassikmarkt so weit von unserer deutschen Kulturseligkeit entfernt wie nur wenig Anderes, sodass es von hier aus fast unmöglich festzustellen ist, was nun eigentlich konkret mit „Bulgaroton“ passiert ist.
Jedenfalls gibt es das Label nicht mehr. Stattdessen tauchte vor einiger Zeit ein neues bulgarisches Klassiklabel am deutschen Markt auf: „Gega new“ nennt es sich und wirft als Akt der Initiation erst einmal ein paar der besten „Bulgaroton“-Aufnahmen in Wiederauflage auf den Markt. Hierbei beließ man die Covergestaltung und die Booklettexte so, wie sie auch beim Vorgängerlabel schon gewesen waren.

Mit Jassen Todorov ist hierbei auch einer der großartigsten der jüngeren Violinisten unserer Tage vertreten. Wie meisterhaft dieser bulgarische Virtuose zu Werke geht, zeigt seine wirklich hörenswerte Aufnahme der genialen Solo-Violinsonaten des Belgiers Eugène Ysaÿe. Über die Werke möchte ich an dieser Stelle nicht viel erzählen, denn erst vor Kurzem hatte ich an dieser Stelle über die Stücke im Einzelnen berichtet. Interessierte mögen bitte dort nachsehen.

Im Rahmen dieser CD-Besprechung möchte ich stattdessen ganz die Einspielung in den Vordergrund stellen. Hierbei schneidet Jassen Todorov sehr gut ab, auch wenn man seine Aufnahme nicht als unbedingte Referenz bezeichnen kann. Trotz außergewöhnlicher Virtuosität und Meisterschaft in der Beherrschung der technischen Mittel ist seine Aufnahme keine Empfehlung für Einsteiger in die wundervollen Ysaÿe-Solosonaten. Warum?

Nun, Todorov verleiht seiner Einspielung eine sehr individuelle und subjektive Note. Das ist einerseits das faszinierende, erfrischende an seiner für meinen Geschmack fabelhaften Aufnahme. Andererseits ist sein individueller Zugriff manchmal doch arg subjektiv gestaltet und wird mehr als einmal von Anklängen an die Volksmusik seiner bulgarischen Heimat beeinflusst. Der gewisse „Zigeuner-Pepp“, den Todorov in diese Stücke einfließen lässt, ist höchst faszinierend und macht einen Riesenspaß. Puristen werden sich jedoch gerade daran stören, denn Ysaÿe war und ist nun einmal weder Paganini noch osteuropäisch-/orientalische Volksmusik.

Letzten Endes bleibt dieses Album also Geschmackssache. Mir gefällt es außerordentlich gut, zumal es anno 2001 auch klanglich im Studio 1 des staatlichen bulgarischen Radios wirklich sehr sehr gut, vielleicht ein wenig zu hallig, eingespielt wurde. Ysaÿe-Geübten darf ich diese CD als besondere Empfehlung sehr warm ans Herz legen. Ysaÿe-Einsteiger sollten vielleicht zunächst zu einer anderen Aufnahme greifen, vielleicht zu der unerreichten Referenz-Edition der japanischen Geigerin Tomoko Kato aus den 1990er-Jahren.

—— CD-Details:

Eugène Ysaÿe – Sechs Sonaten Op. 27
Jassen Todorov (Violine)
Aufnahme: 2001
Erscheinungsjahr: 2013
Label: Gega new
Vertrieb: membran
Katalog-Nr.: GR76 / EAN: 3800121300761

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