Die besondere CD: Andrey Boreyko dirigiert SchostakowitschDie Sinfonien Nr. 1 & 6 in erstaunlich guter Einspielung aus Stuttgartvon Rainer Aschemeier • 12. August 2013 Schon seit ein paar Jahren spielt der St. Petersburger Andrey Boryeko – seines Zeichens Chefdirigent der Düsseldorfer Symphoniker – zusammen mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Sinfonien von Dmitry Schostakowitsch ein. Nachdem bereits die Sinfonien 9, 15 und 4 erschienen waren, fragt man sich bei der nun veröffentlichten dritten CD so langsam: „Soll das ein Zyklus werden“? Das bisherige „Tempo“ von Boreyko und dem SWR-Orchester vorausgesetzt, müssten wir dann zwar noch circa zehn Jahre auf dessen Vollendung warten, doch wäre das Endergebnis wohl eine sehr lohnende Sache, wie mir scheint. Ich bin jedenfalls sehr beeindruckt von der inspirierten, extrem akkuraten und gut durchdachten Einspielung, die uns Boryeko auf seiner neuen CD mit der ersten und der sechsten Sinfonie Schostakowitschs liefert. Die Erste ist ja ein regelrechter „Crowdpleaser“ und gehört definitiv zu den beliebtesten Sinfonien im Schostakowitsch-Œuvre. Der Komponist hatte sie als Abschlussarbeit seines Studiums am (damals noch) Leningrader Konservatorium eingereicht. Vom ersten Tag an hatte das Werk Furore gemacht, und wurde stehenden Fußes in aller Welt von den namhaftesten Dirigenten und Orchestern in ihr Repertoire aufgenommen. So „leicht“ hatte es Schostakowitschs sechste Sinfonie nicht. Selbst diejenigen, die sich ansonsten gut im Schostakowitsch-Universum zurechtfinden, sind oft überfragt, wenn sie spontan einen Kommentar zur sechsten Sinfonie abgeben sollen. Dieses enigmatische, sperrige, sich seinem Publikum gewollt zu weigern scheinende Werk gehört in der Tat zu den bis heute am wenigsten verstandenen, enigmatischen und zutiefst merkwürdigen Stücken der Sinfonik des 20. Jahrhunderts. In meinen Ohren ist auch die Sechste ein Meisterwerk, wenngleich eben nicht so „publikumswirksam“. Es freut mich außerordentlich, dass diese selten eingespielte Sinfonie unter Boreykos Dirigat eine so sensible und wohlüberlegte Deutung erfährt. Das SWR-Sinfonieorchester spielt absolut makellos, beinahe schon beängstigend perfekt. Viele Dirigenten tendieren dazu, mit skrupulöser Präzision die Ecken und Kanten in Schostakowitschs Musik glattzupolieren – ob sie das nun wollen oder nicht. Wir hatten gerade erst so einen Fall mit Petrenkos ‚Leningrader‘ aus Liverpool und ein weiteres bekanntes Beispiel dieser Art ist (zumindest in weiten Teilen) der Schostakowitsch-Zyklus von Mariss Jansons bei der EMI. Das ist ganz große Klasse und zählt für mich zu den bislang besten Einspielungen, die ich in jüngerer Zeit von beiden Sinfonien gehört habe. In der Tat würde ich diese CD in eine Reihe stellen mit den Referenz-Zyklen von Barshai und Haitink, die vielleicht ewig unerreicht bleiben werden, sich aber in Boreyko zumindest einem Anwärter gegenüber sehen, der das Zeug dazu hätte, in die Riege der ganz Großen aufzusteigen. Da auch der sagenhaft feinzeichnende, brillante und einfach angenehme Klang der Aufnahme mit zum besten gehört, was ich in diesem Jahr bislang im CD-Schacht hatte, gehört diese CD eindeutig mit auf unsere „Shortlist“ zur CD des Jahres. Wirklich toll! ——- CD-Details:Dmitry Schostakowitsch |
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