Höchste gestalterische SubtilitätDie Kolumne: "Listening for the-listener": Christoph Schlüren - Folge VIIIvon Christoph Schlüren • 18. Juni 2013 Es gibt jene seltenen Aufführungen, die einen vom ersten Moment an auf eine magische Reise mitnehmen und erst mit dem letzten Klang wieder entlassen. Eine solche Reise offeriert uns der in Paris lebende israelische Pianist Iddo Bar-Shaï mit seiner neuen CD mit 25 ausgewählten Pièces de clavecin vom französischen Großmeister der Cembalomusik François Couperin (1668-1733). Iddo Bar-Shaï hatte die besten denkbaren Lehrmeister: Pnina Salzman, die große Legende der israelischen Klavierkunst, und den am 8. Januar diesen Jahres in der Schweiz verstorbenen bulgarischen Großmeister Alexis Weissenberg. An dieser Stelle ist es auch interessant, die Einflüsse der Vorgängergeneration, also der Mentoren seiner Lehrer, zu betrachten: Pnina Salzman hatte bei dem Touché-Alchimisten Alfred Cortot und Magda Tagliaferro gelernt, Weissenberg war bei Bulgariens Nationalkomponisten und Klaviervirtuosen Pancho Vladigerov (dem Schöpfer der populären Vardar-Rhapsodie und einiger äußerst effektvoller Klavierkonzerte) in die Lehre gegangen und wurde danach, in den fünfziger und frühen sechziger Jahren, insbesondere durch die intensive Zusammenarbeit mit Sergiu Celibidache geprägt, die ihr abruptes Ende nahm, als Weissenberg mit Karajan seine spektakuläre Schallplatten-Karriere in Angriff nahm. Jedenfalls verfügt Iddo Bar-Shaï über alles, was es brauchen könnte, um Couperins zart-fragile, perlende, tänzerisch elegante, lebensvolle, affektenreiche Tastenkunst zu einem so fesselnden wie berührenden und anspruchsvollen Erlebnis werden zu lassen. Die altvordere Frage, ob es legitim sei, diese Cembalostücke ihrem originalen Instrument zu entreißen und mit den so ganz anderen und in Dynamik und Klang so viel mannigfaltigeren Möglichkeiten des modernen Konzertflügels zum Klingen zu bringen, dürfte sich in Anbetracht der Ergebnisse nur noch eingefahrenen Puristen stellen. Es ist einfach etwas ganz anderes, und zu gerne möchte ich den Cembalisten hören, der eine künstlerisch entsprechende Qualität zu erzielen vermag. Das bedarf dann natürlich auch, sollte es tatsächlich gelingen, einer entsprechenden Verfeinerung des Hörens für die subtilen agogischen und artikulatorischen Mittel, wie es uns heute weitgehend verloren gegangen ist (hier fällt mir momentan nur Kristian Nyquist ein, der nach seinen herrlichen Goldberg-Variationen auch bei Couperin gewiss Wesentliches zu sagen hätte). ——- |
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