Soundcheck mit Gästen: Dylan rockt Hamburg24. Oktober 2005, CCHvon Frank Castenholz • 25. Oktober 2005 Zunächst die Fakten: Das Konzert dauerte etwa 2 Stunden, keine Vorgruppe, pünktlicher Beginn. Die Songs waren nahezu durchgehend im beschwingten Country/Southern Rock-Stil vorgetragen. Nicht mit Dylan-Originalen, sondern mit diversen Coverversionen aufgewachsen, hörte ich bei vielen Songs auch gleich die alternative Einspielung eines anderen Künstlers mit – am auffälligsten vielleicht bei „All Along The Watchtower“, das sehr viel mehr nach Hendrix als nach Dylans Originaleinspielung klang. Aufgrund der verschrobenen und zurückgezogenen Art von Dylan (starr am Klavier stehend, manchmal Mundharmonika, gänzlich ohne Gitarre, dafür Riesencowboyhut) beschlich einen das seltsame Gefühl, eher dem Jammen im Proberaum oder Soundcheck zu lauschen und nicht einem ans Publikum adressierten Konzert. Die Musik war vielleicht nicht immer ganz präzise gespielt, strahlte aber eine selbstgewisse Unmittelbarkeit aus, die wohl nur wenige Bands auf der Bühne erreichen – getragten von einem so dicht wie variabel geknüpften Rythmusteppich des Drummers George Recile. Der Leadgitarrist hingegen solierte etwas zu behäbig und gediegen und wurde vom Rythmusgitarrist bei dessen seltenen Soloeinsätzen locker links überholt. Dylan selbst war, soviel kann ohne Übertreibung gesagt werden, ganz Dylan. Kein Wort ans Publikum außer der vernuschelten Bandvorstellung bei der Zugabe. Kein Dank, keine Verbeugung. Vor dem Abgang stellt er sich kurz gradrückig frontal zum Publikum und schaut stolz in den Saal, lässt den Applaus duldsam auf sich herunter prasseln, „naja, Publikum muss wohl auch sein, wenn man auf Tour ist“, denkt er sich wohl. Allein die Zuwendung des Gesichts zum Publikum ist eine Extraleistung, eine Zugabe, für das das Publikum eigentlich Aufpreis zahlen und noch mal doppelt klatschen müsste. Aber man ist ja großzügig und milde geworden mit den Jahren. Die gesangliche Leistung war sehr bescheiden (bzw. laut Dylanologen: „erstaunlich gut“!). Unparteiische Ohren hörten da ein durchaus passendes und stimmig klingendes, aber stellenweise auch recht emotions- und einfallsloses Gekrächze. Kommentar einer Sitznachbarin bei „Don´t Think Twice“: „Oh nein, warum muss er DAS denn auch so scheiße singen?!“ Und so ganz unrecht hatte die Dame vielleicht auch nicht: Dylan zog bei vielen Songs die letzte Silbe der Strophen konsequent hoch. Die Dylankundigen nennen das Upsinging und sind darüber offensichtlich auch nicht durchgehend einig und glücklich. Weitaus irritierender als Dylans Gesang war allerdings der trübe Soundbrei. Jedenfalls zu den Rängen kamen die Töne übersteuert, zu höhenlastig, hallend, verzerrt und wenig differenziert – und für eine Veranstaltung dieser Kategorie eigentlich inakzeptabel – wie im Bierzelt. Das kam wohl daher, dass die Lautsprecher nur direkt auf der Bühne positioniert waren. Ein großer und hoher Saal kann auf diese Weise natürlich nicht angemessen beschallt werden. Man hat das im CCH auch schon sehr viel besser erlebt. Gleichwohl: Alles in allem, jedenfalls was die Leistung von Dylan und Band betrifft, ein sehr schönes, gradlinig losrockendes Konzert, das Spaß machte und wohl idealtypisch zeigt, wie ein Musiker in Würde altern und dabei wunderbare zeitlose Musik spielen kann. Das war alles andere als ein Gottesdienst, bei dem andächtig auf Zwischentöne und Nuancen zu lauschen gewesen wäre, sondern recht schlichter, handwerklich tadelloser Rock in Formvollendung. Wäre schön, wenn dieser frische, reiche und beschwingte Sound auch mal eine Studioplatte zieren würde. Die beste Nachricht aber zum Schluss: Nach glaubwürdigen Zeugenaussagen hatte sich auch Wolfgang Niedecken, seines Zeichens Sänger einer obskuren westdeutschen Mundart-Kombo, zum Ereignis eingefunden. Er soll sogar Biere am selben Stand bestellt haben, an dem auch wir kurz vor Konzertbeginn standen. Glücklicherweise, und jetzt kommt die Wendung zum Guten, aber nicht zeitgleich. |
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