Musikalische Glücksfälle, tontechnisches DesasterDie Kolumne: "Listening for the-listener": Christoph Schlürenvon Christoph Schlüren • 6. Februar 2013 Ottorino Respighi (1879–1936), der bekannteste und zusammen mit seinen Generationsgenossen Alfredo Casella, Ildebrando Pizzetti und dem frühen Gian Francesco Malipiero bedeutendste italienische Komponist des Impressionismus und der anbrechenden Moderne, ist einer jener Meister, die seit jeher von unbefangenen Hörern sehr geschätzt und beim Gros der Intellektuellen und etablierten Meinungsmacher verpönt sind, zumal im deutschsprachigen Raum. So etwas hat natürlich stets mehrere Gründe. Respighi blieb fest im Boden der traditionellen Tonalität verwurzelt, die Dissonanzen in seiner Musik werden klassisch aufgelöst oder wirken als lokale Gewürzfaktoren wie bei seinen russischen und deutschen Vorbildern (Borodin, Strauss usw.). Seine populärsten Orchesterwerke (das sogenannte ‚Römische Triptychon’ aus Fontane di Roma, Pini di Roma und Feste Romane) sind, bei allem grandiosen Glanz und unbestreitbar meisterhaften Aufbau, eher oberflächliche Schöpfungen (und damit für ihn ein ähnliches „Problem“ wie für George Enescu die Popularität seiner Rumänischen Rhapsodien oder für Aram Chatschaturian diejenige seiner Ballettmusiken), und andere besonders beliebte Werke wie die dritte Antiche Danze ed Arie-Suite für Streichorchester sind in romantisch-antikisierendem Stil gehalten (wie beispielsweise zuvor auch Edvard Griegs beliebte Holberg-Suite) oder gar schlichtweg geniale Bearbeitungen antiker Vorlagen. Und – das ist ein ganz besonderes Hindernis in vieler Augen – der Duce und die Massen bewunderten Respighis Musik. Respighi hat zwar auch sehr dramatische Werke geschrieben, seien es nun Opern, seine frühe Sinfonia drammatica oder die Tondichtung Ballata delle Gnomidi, doch im Grunde seines Wesens ist er vor allem ein bezaubernder Lyriker, der im sanglichen Erblühen sein Tiefstes und Bestes gibt und darüber hinaus überaus effektiv mit virtuosem Blendwerk zu hantieren versteht. Ich halte Kompositionen wie das Concerto gregoriano (sein reifes Violinkonzert), oder das Concerto in modo misolidio (sein großes Klavierkonzert), aber auch Vetrate di Chiesa, Impressioni brasiliane, Metamorphoseon oder das ein wenig schroffe Concerto a cinque für hinreißend gelungen, und zweifelsohne auch das hier in der besten mir bekannten Einspielung mit dem Barylli-Quartett (von 1960) vorliegende, selten zu hörende Quartetto Dorico für Streichquartett. Was für eine stolz-prächtige, aristokratisch würdevolle Musik, in welcher rückwärtsgewandte Gelehrsamkeit und vorwärtsdrängende Lebensfreude in vollendeter Weise verschmelzen! Entstanden 1924, ist es eines der besten, fesselndsten Streichquartette jener Epoche, der wir auch Meisterwerke der Gattung etwa von Debussy, Ravel, Roussel, Casella, Schönberg, Zemlinsky, Berg, Sibelius, Foulds, Bridge, Enescu, Bartók, Janácek, Suk, Szymanowski, Fauré, Glasunov u.a. verdanken. Keine Bange, das ist nicht nur meisterhaft gesetzt, sondern auch geschmackssicher und kraftstrotzend. Wer mit einem affirmativen Tonfall nach Beethoven, Bruckner und Nielsen kein Problem hat, wird für diese Entdeckung höchst dankbar sein. —————————————
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