CALEXICO: Spiel ohne GrenzenLive im Hamburger Stadtpark am 14. August 2003von Frank Castenholz • 2. November 2003
Zwei Wochen war Hamburg durch eine für hiesige Breiten ungewöhnliche Hitzeperiode lahm gelegt gewesen. Kein Wölkchen am Himmel, flimmernde 30 Grad bis in die Nacht, kaum ein Lüftchen. Die Versuchung war also groß, den nachfolgenden Bericht mit begähnenswerten Anspielungen auf das Wüstenklima zu spicken, mit welchem Calexico – so wird ja gewöhnlich in Platten- oder Konzertrezensionen glaubhaft versichert – jedes Wohnzimmer und jeden Konzertsaal aufheizen. Die Rede ist dann regelmäßig von Mariachis und Morricone, Chilischoten und Kakteen, Gitarrengewirbel unterm Sombrero … Als das Konzert im ausverkauften Stadtpark ohne Vorgruppe gegen 19:30 Uhr begann, hatte der deutsche Norden nun aber seine heißesten Tage bereits hinter sich. Ein angenehm frischer, leicht verfrühter Spätsommer-Pullover-Abend hatte das Publikum in weiser Fügung darauf vorbereitet, dass die kommenden 135 Minuten auch musikalisch nicht nur der Wüstensonne Tribut zollen würden. Denn glücklicherweise lässt sich das Schaffen von Calexico noch nicht auf den Tuscon Tijuana Social Club-Nenner herunterrechnen. Dafür ist der Ansatz von Joey Burns (Gesang, Gitarren) und John Convertino (Schlagzeug), dem tonangebenden Kern der Formation zu eklektizistisch, sind ihre Wurzeln zu kurz, ihr Horizont zu weit. Tatsächlich haben beide in ihrem musikalischen Werdegang kaum eine Gelegenheit versäumt, durch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern die verschiedensten Stil- und Spielarten moderner Musik zu ergründen. So schöpft der Calexico-Sound aus Country und Folk, alternativem Rock, Weltmusik und Elektronik, und interpretiert diese Quellen mit der virtuosen Freigeistigkeit des Jazz und dem lässigen Understatement der Independent Szene. Diesem offenen Ansatz blieb das Duo – so kompetent wie bewährt vervollständigt durch die beiden Kasseler Martin Wenk (Trompete, Akkordeon, Vibrafon, Gitarre) und Volker Zander (Bass) sowie Jacob Valenzuela (Trompete) und Paul Niehaus (Steel) sowie zeitweise einem Violionduo – auch auf der Bühne treu und fand somit eine ausgewogene wie abwechslungsreiche Balance zwischen Anspruch und Roots-Charme. Der Schwerpunkt des Calexico-Programms lag naturgemäß auf ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Material, das in voller Bühnenbesetzung dargeboten wurde: neben den herausstechenden Kompositionen wie der „Feast Of Wire“-Auskopplung „Quattro“, dem „Sunken Waltz“, „Black Heart“, „Not Even Stevie Nicks“ „Across The Wire“ oder dem (nur auf EP erhältlichen) Love-Cover „Alone Again Or“, vermochte dabei insbesondere das auf LP eher unauffällige „Guero Canelo“ mitzureißen. Für musikalischen Kontrast zu diesen bläserbewehrten Hymnen sorgte nicht nur das gitarrenriffrockende Minutemen-Cover „Jesus and Tequila“ oder der heimliche Hit „Crooked Road and the Briar“ (von der „Even My Sure Things Fall Through“-EP). In der Mitte des Sets bat die Band als Überraschungsgast Françoiz Breut auf die Bühne. Mit der französischen Sängerin, die mit ihren Kollegen Dominique A. und Yann Tiersen die neue Welle des französischen Nouvelle Chanson repräsentiert, sang Burns nicht nur ihr zauberhaftes „Si tu disais“ (das schon auf der CD-Erstausgabe von „Feast of Wire“ als Bonustrack zu hören war) und – später im Zugabenteil – „Ballad of Cable Hogue“. Für geschätzte 25 Minuten galt ihr allein das Scheinwerferlicht, als sie – gleichsam als nachgezogener Support Act – ihre eigenen Kompositionen zu Gehör brachte, durchgängig begleitet von den Calexico-Mannen. Diese kollegial-freundschaftliche Praxis, nicht in gängiger Vor- und Hauptgruppenhierarchie aufzutreten, sondern den Gast in die eigene Show zu integrieren, ist so bemerkenswert wie sympathisch. Dass das Interesse und die Akzeptanz des Publikums für den Tourgast auf diesem Wege unweit größer sind, mag kaum verwundern. Das übliche „Parkplatz suchen, quatschen und Bier holen, bis die Hauptband spielt“ entfällt. In dieser Auftrittskultur können Burns und Convertino ihre Vergangenheit als Rhythmusgruppe von Howe Gelbs GIANT SAND nicht verbergen, der sich ebenfalls als Gastgeber seiner Tourunterstützung versteht und oftmals seinen eigenen Support Act instrumental unterstützt (so etwa M. Ward auf der 2000er Giant Sand-Tour) oder die Gastmusiker in seinen Auftritt einbindet. |
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