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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Digitale Schatztruhe für "Jäger und Sammler"

Das Stream- und Download-Label "Naxos Classical Archives" im Portrait

von Rainer Aschemeier  •  20. September 2011

Die Wiederveröffentlichung von älteren Einspielungen klassischer Musik ist etwas, was praktisch alle Labels, die schon seit einigen Jahrzehnten am Markt sind in den letzten zehn Jahren für sich entdeckt haben. Von EMI bis Deutsche Grammophon, von Telarc bis Chandos: Überall gibt es heute Serien mit namhaften Einspielungen von „damals“, meist für einen geringeren Preis als aktuelle Neuerscheinungen.

Naxos war mit der Reihe „Naxos Historical“ eine der Firmen, die besonders früh in diesem Markt mitgemischt haben. Dabei war das Naxos-Label zu dem Zeitpunkt, als es mit den ersten Rereleases historischer Aufnahmen glänzte, noch keine 20 Jahre alt. Wie kam das zustande?
Ganz einfach: Man bediente sich dem global geltenden Recht der Gemeinfreiheit. Es besagt, dass 50 bis 70 Jahre (je nach Land) nach dem Tod des Urhebers einer künstlerischen Leistung, das Werk des Künstlers in die Gemeinfreiheit übergeht. Das bedeutet, dass sich ein jeder legal dieses Werks bemächtigen kann. So fallen heute beispielsweise für einen Buchverlag keine Tantiemenzahlungen mehr an, wenn er die Werke von Franz Kafka oder, sagen wir, Sigmund Freud nachdrucken will, denn beide sind nunmehr über 70 Jahre tot und ihr literarischer Nachlass ist nun ins „geistige Eigentum“ der Allgemeinheit übergegangen.

Wenn überhaupt, bekommt man "Old King Cole" meist in der Boult-Fassung mit dem London Philharmonic Orchestra zu hören. Diese Version hier entstand fast zeitgleich, ist aber viel viel seltener zu finden.


Ebenso verhält es sich mit Schallplattenaufnahmen, allerdings gilt hier ein etwas komplizierterer „Verteilschlüssel“. In China, Korea und Japan gilt die Schutzfrist nur 50 Jahre bis nach dem Tod des Komponisten, in Amerika deutlich länger. Wieder anders ist es in der Europäischen Union, usw.
Es ist also gar nicht so einfach für die Plattenlabels, genau zu kalkulieren, wie hohe Kosten denn nun eigentlich anfallen, bei der Wiederveröffentlichung eines „alten Schätzchens“. Und dann sind da ja immer auch noch die Konsumenten, die historische Aufnahmen, deren Interpretation teilweise hohen Wert haben mögen, aber in der Regel weniger gut klingen als moderne Einspielungen, auch seltener kaufen als die Segnungen der neuesten Digitaltechnik. Da fallen dann vor allem die Werke wenig bekannter oder nicht so beliebter Komponisten und Künstler beim Wiederveröffentlichungsprogramm der Labels „unter den Tisch“.

Soll heißen: Klemperers Beethoven wird man wohl immer und für alle Zeiten immer mal wieder neu auf physischen Tonträgern serviert bekommen, doch nach seinen rareren Aufnahmen kann man oft lange suchen und wird trotzdem nicht fündig. Oft sind sie seit dem LP-Zeitalter noch nie digitalisiert, geschweige denn auf CD veröffentlicht worden.

Naxos Classical Archives

In einer nie dagewesenen Mammutaktion hat das Naxos-Label ab Juni 2007 genau an diesen Punkten angesetzt: Rare Einspielungen, die vor allem für Sammler interessant sind, in grundlegenden, oft maßstabsetzenden Erstdigitalisierungen — und das zu Hunderten…

Legendäre Einspielung: Chavez dirigiert einige seiner famosen Sinfonien.


Auf knapp 800 Wiederveröffentlichungen hat es das Label auf diese Weise inzwischen gebracht.
Und die Probleme mit den hohen Kosten für CDs, von denen man nicht wissen kann, wie viele Menschen sich dafür überhaupt interessieren? Die umgeht Naxos elegant und eloquent, indem es die Titel lediglich als Downloads und Streams anbietet — dies aber in sehr hoher Qualität, die auch anspruchsvolle Hörer zufriedenstellen dürfte.
Und so kommt es, dass wir im Programm „Naxos Classical Archives“ nun viele Hundert ganz großartiger Sammlerschätze aus den Archiven der bedeutendsten Schallplattenfirmen rund um den Erdball finden. Ich nenne hier einmal nur einige wenige Beispiele:  – Das spektakuläre „Ballett mecanique“ des Amerikaners George Antheil in einer nicht minder spektakulären Einspielung durch Robert Craft und das Los Angeles Contemporary Music Ensemble,  – die „Meditationen op. 18“ von Gottfried von Einem in einer auch klanglich sensationellen Aufnahme von einer der Speerspitzen der „Neue Musik“-Interpretationen in den 1950er-Jahren: dem Louisville Orchestra unter der Leitung von Robert S. Whitney,  – das extrem selten zu hörende Ballett „Old King Cole“ von Ralph Vaughan Williams, dass es nicht in einer einzigen modernen Einspielung gibt, gibt es bei „Naxos Classical Archives“ gleich in zwei bahnbrechenden Interpretationen von Sir Adrian Boult (einmal mit dem Royal Philharmonic Orchestra, das andere Mal mit dem London Philharmonic Orchestra),  – einige Sinfonien von Carlos Chavez in der Interpretation durch den Komponisten selbst,  – legendäre, frühe Aufnahmen von Eugene Ormandy,  – oft gesuchte und selten gefundene Mahler-Aufnahmen mit Kubelik, Horenstein und Flipse,

Äußerst rare Mahler-Live-Einspielungen von Eduard Flipse und dem philharmonischen Orchester Rotterdam, die zurzeit nirgendwo anders erhältlich sind und unter "Mahlerianern" hoch gehandelt werden.

 – Prokoffjew-Sonaten, interpretiert von Nathan Milstein  – Dmitry Schostakowitsch spielt selbst auf dem Klavier eigene Werke; Mravinsky, Kondrashin, Rodsinsky, Ancerl und Mitropoulos widmen sich seinem Orchesterwerk…

...und, und, und…

...einmal in die Schatztruhe von „Naxos Classical Archives“ eingetaucht, nimmt die Entdeckungsreise — reich an Überraschungen — kein Ende. Und man ist immer wieder erstaunt, welche Schätze sich in den Regalen der Labels noch immer verbergen und bislang nur selten oder noch gar nicht wieder ihren Weg zurück ans Tageslicht gefunden haben.

Wie kann man das Programm von „Naxos Classical Archives“ abrufen?

Eine der frühen Großtaten Kyrill Kondraschins: Schostakowitschs Erste in einer mustergültigen Interpretation!


Es gibt mehrere Möglichkeiten, um als Hörer in den Genuss des Programms von „Naxos Classical Archives“ zu kommen. Die vielleicht teuerste aber auch eloquenteste Methode, die eine Unzahl von Suchfunktionen und garantiert das komplette Programm verfügbarer Einspielungen anbietet, dürfte die Naxos Music Library sein, die wir demnächst in einem anderen Artikel noch näher vorstellen werden. Nur so viel: Hierbei hat man die Möglichkeit nicht nur die Reihe Naxos Classical Archives, sondern vielmehr das gesamte Naxos-Programm sowie die Programme vieler anderer Labels in CD-Qualität als Stream „live“ zu hören. Für die Obesessiven unter den Hörern, ist ein Download über (zum Beispiel) Classics online möglich, wo ebenfalls das komplette Sortiment der Naxos Classical Archives-Serie verfügbar ist.

Es lohnt sich!

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