GIANT SAND am Strand - Chaos and Creation in Howe's BackyardRolling Stone Weekender, Weißenhäuser Strand, 11.11.2010von Frank Castenholz • 1. Dezember 2010 Der Rolling Stone Weekender an der Ostsee etabliert sich zunehmend als attraktive Alternative zur Novemberdepression. Das „Indoor-Komfort“-Konzertwochenende in einer zweckmäßigen Ferienanlage am Weißenhäuser Strand, deren Glanzlosigkeit eine denkbar unabgelenkte Befassung mit der Musik erlaubt, fand 2010 das zweite Mal statt. Das Festival versprach auch dieses Jahr wieder mit Auftritten von arrivierten Bands wie Element of Crime, The Gaslight Anthem, Tindersticks, Cowboy Junkies, The Black Keys und vielversprechenden Newcomern wie insbesondere Warpaint ein fein abgeschmecktes All-you-can-hear-Büffet für den Freund gediegener Ü30-Pop/Rock-Vollwertkost. Dabei wusste insbesondere der erwartbar unkonventionelle Auftritt von Giant Sand zu polarisieren, denn deren Chef Howe Gelb unternahm einmal mehr keine Anstrengung, sich den Konsumgewohnheiten des flüchtigen Festivalpublikums anzupassen und ein dramaturgisch durchkonzipiertes Set zu spielen. Die ab und an stirnrunzelnden Blicke seiner Mitmusiker ließen vermuten, dass sie gelegentlich wohl selbst nicht wussten, was sie im nächsten Takt erwarten würde. Besinnlich bilanzierende Songwriterklänge („Fields of Green“ vom aktuellen Longplayer „Blurry Blue Mountain“) wurden von fahrigem Barjazz („Chunk of Coal“) abgelöst; auf verhallte Keyboardexerzitien folgten ausufernde gitarrenbretternde Feedbackexzesse. Musik, die vom Punk die Unmittelbarkeit, vom Post Punk den Sinn für Ökonomie, Geräusch und Flächen hat, Herz und Hitze aber traditionsverwurzelter Americana verdankt. Die aktuelle Besetzung, bereichert um Gastschlagzeuger Steve Shelley (Sonic Youth, Hallogallo), spielte insbesondere bei den lautstark intonierten Songs ihre Stärken aus, nahe an der Ergebnisoffenheit eines improvisierten Jams, aber doch von Howe Gelb wie aus der Vogelperspektive mit Blick auf das Ende gelenkt. Zu den Höhepunkten des Sets zählten ein berauschendes „Monk’s Mountain“, das spielend das Versprechen der Albumversion (ebenfalls von „Blurry Blue Mountain“) einlöste, das eruptive, hoch energetische „Tumble & Tear“ (vom 1985er Debüt „Valley of Rain“) und einmal mehr als Memento Mori und Tribut für seinen verstorbenen Lebensfreund Rainer Ptacek das zugleich kontemplative und trotzig euphorische „The Farm“ – faszinierend, wie Howe diesem langjährigen Bühnenstandard immer noch neue Seiten entlockt. Besetzung: Howe Gelb (voice, guitars, keys), Steve Shelley (drums), Nikolaj Heyman (drums, guitars), Thøger Lund (Bass), Lonna Kelley (voice) |
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